Kaptivierende Sommersymphonie.

Perfekte Balance von Süsse, Säure und Sommersentimentalität: Caponata.

Ernsthaft. Esst mehr Caponata! Jetzt ist der genau richtige Zeitpunkt. Kein Gemüsegericht strotzt so sehr vor Sonne, Sommer und saftigem Geschmack. Esst sie warm, lauwarm oder kalt. Nur so für sich, oder begleitet von einer cremigen Burrata. Zu Fisch , zu Fleisch, vermählt mit Pasta oder auf einer knusprigen Bruschetta. Nur, bitte, bereitet sie sorgfältig zu. Jedes Gemüse einzeln. Nicht als Eintopf, wie ihre französische Cousine Ratatouille.

Jede Zutat soll noch leicht Biss haben, ihr eigenes kräftiges Aroma offenbaren und sich dennoch zu einem harmonischen, gemeinsamen Geschmacksbild zusammenfügen. Caponata, capisc‘? Eine unvergleichlich komplexe, vielschichtige, Glück verströmende Sommergemüse-Komposition.

Zutaten
1 Aubergine, in Würfel geschnitten
1 rote und 1 gelbe Peperoni, klein geschnitten
1 Tropea-Zwiebel, fein gewürfelt
1 Stange Staudensellerie, klein geschnitten
1 Peperoncino, entkernt und in feine Ringe geschnitten
Olivenöl extra vergine
400 g reife Pachino- oder Datterini-Tomaten, geviertelt
2 EL Kapern, gut gewässert
feines Meersalz
30 g Zucker
30 ml Condimento bianco oder Weiweinessig
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
frischer Basilikum

Zubereitung
Ein Fehler, der oft gemacht wird, ist die Aubergine direkt in Olivenöl anzubraten. Kommt nicht gut. Saugt sich sofort voll und wird matschig. Man muss sie ohne alles geduldig bei mittlerer Hitze bräunen. Immer schön wenden, sie brennt sonst schnell an. Am besten in einer gusseisernen Pfanne. (Eine beschichtete geht auch.) So verliert sie Wasser, die Schnittflächen werden versiegelt und sie entwickelt nussige Röstaromen. Wenn sie gleichmässig gebräunt ist, herausnehmen und zur Seite stellen.

Jetzt erst den Boden der Pfanne mit Olivenöl bedecken und die Peperoni darin glasig schwitzen. Herausnehmen und beiseite stellen. Danach die Zwiebeln mit dem Sellerie und dem Peperoncino anschwitzen, ohne zu bräunen.

Tomaten dazugeben und unter Rühren offen bei milder Hitze 10 Minuten weich schmoren. Auberginen und Peperoni wieder in die Pfanne geben und 5 Minuten mitschmoren.

Kapern zufügen, salzen, pfeffern, zuckern und mit Essig übergiessen, umrühren und weitere 5 Minuten weiterköcheln, bis der Essig etwas reduziert ist. Zum Schluss nochmals abschmecken.

Basilikum darüber zupfen und servieren.

Varianten
Zusätzlich Pinienkerne und/oder Rosinen, Oliven oder Zucchiniwürfel hinzufügen. Man kann auch weniger Gemüse verwenden, zum Beispiel nur Auberginen und Peperoni, ohne Tomaten. Aber ohne Auberginen ist es keine Caponata.


Ist das Kunst oder kann das was?

Randenleder

Kulinarik-Quiz. Hat jemand die leiseste Ahnung, was das ist?

Dass es Kunst ist, ist jedem klar. Ich meine, was habe ich da Essbares fabriziert?

Für die Rande des Wahnsinns habe ich doch kürzlich gekochte Rande püriert und durch ein feines Sieb passiert. Ich brauchte für mein Gericht nur den Saft. Was also tun mit dem übrig gebliebenen Püree?

Ich hatte da so eine Idee: Was passiert, wenn man etwas frisch gepressten Blutorangensaft zum Püree mischt und dieses dann langsam im Ofen trocknet? Dann bekommt man das verrückteste Bete-Blutorangen-Leder! Abgesehen von der skurrilen Form hat es eine tolle Textur – ledrig eben – und schmeckt wie Fruchtgummi! Aber natürlich, nicht so künstlich süss.

Ich hatte etwa 3 Esslöffel Püree. Die habe ich dünn auf einem Backpapier ausgestrichen und rund 3 Stunden bei 70 Grad getrocknet. Dabei die Ofentüre einen Spalt offen gelassen.

Kann man so als Snack essen, ein Dessert damit anreichern oder zu einem Gericht kombinieren, dass eine süsse Komponente verträgt – Wild zum Beispiel!

Viel Spass beim Nachkochen und Tüfteln.


Rande des Wahnsinns.

Randen Orangen Salat

Kleiner Unfall mit grosser Wirkung: Randen-Blutorangensalat.

Kürzlich habe ich nicht aufgepasst beim Kochen. Das Kochwasser im Topf mit den Randen war verdampft, eine Rande geplatzt und der austretende Randensaft begann am Topfboden langsam einzudicken und zu karamellisieren. Was für ein Duft! Welch intensives Aroma!

Das musste ich unbedingt wiederholen, als Sauce für einen Randen-Salat mit Blutorangen, den ich ohnehin endlich einmal probieren wollte. Et voilà, hier ist er!

Randen ungeschält in leicht salzigem Wasser zugedeckt weichkochen. Randen schälen. Eine Rande im Mixer pürieren, durch ein feines Sieb passieren (wer einen Entsafter hat, nimmt direkt Randensaft oder kauft alternativ Randensaft).

Saft einer Moro- oder Tarocco-Orange dazugeben und bei mittlerer Hitze sirupartig einkochen. Ab und zu mit etwas Wasser strecken, wenn es sich am Topfboden festsetzt. Etwas auskühlen lassen und dann ein gutes Öl (ich habe kaltgepresstes Sonnenblumenöl verwendet) mit dem Saucenbesen aufmontieren, bis die Flüssigkeit homogen ist und schön glänzt.

Rande in Spalten schneiden und mit Salz, rotem Kampotpfeffer, Balsamico und Sonnenblumenöl 30 Minuten marinieren. Tropeazwiebel in Ringe schneiden, kurz in 1 EL Condimento bianco und 1 EL Wasser aufkochen, in eine Schüssel umgiessen, 10 Minuten ziehen lassen.

Blutorange filetieren. Granatapfelkerne auslösen. Fenchelkraut zupfen.

Sauce mit einem Esslöffel aus dem Handgelenk schwungvoll auf den Teller kleckern. Randenspalten und Orangenfilets darauf verteilen, mit rotem Kampotpfeffer, Fenchelkraut, Zwiebelringen und Granatapfelkernen garnieren.

Ich hab mich gleich so was von verliebt in die Randensauce! Sie hat durch die Blutorangen eine feine Säure und der frische Orangengeschmack vermählt sich unheimlich gut mit dem süssen, erdigen Geschmack.

Am besten zieht man genüsslich ein Orangenfilet durch die Sauce, erfreut sich kurz am Anblick der tiefroten Glasur und lässt den Happen zusammen mit Rande, Zwiebel, Granatapfelkern und Fenchelaroma eine wilde Party im Gaumen feiern.

Randen Orangen Salat


Streifen machen schlank.

Petersilienwurzel

Aktuelles Lieblingswintergemüse: Geröstete Petersilienwurzelstreifen.

Die Dinger sind so gut, ich werd noch wahnsinnig. Ich esse sie am liebsten als Snack, als Vorspeise oder als Beilage – vorwärts und zurück.

Man sieht ja jetzt vermehrt Rezepte für geröstetes Wurzelgemüse. Urkarotten, Pastinaken. So vom Blech. Da wird dann immer hip Honig drüber geglibbert, ganze Kräuterbüsche werden mit in den Ofen geschoben, Tonnen von Knoblauch und Zwiebeln sowieso und gewürzt wird, als wären wir im Beduinenzelt.

Eigentlich aber braucht es nur: Olivenöl, Pfeffer, Salz. Und: Einen Sparschäler.

Denn wenn die Petersilienwurzeln in sehr dünne Streifen geschnitten werden, mutieren sie zu einem leichten, süchtigmachenden Snack. Superknusprig und süsslich konzentriert (genau, die Wurzeln haben schon genug Eigenzucker, da braucht es nicht noch extra Honig) mit einem intensiven Sellerie-Petersilien-Kartoffelchips-Geschmack.

Die Petersilienwurzeln einfach mit dem Sparschäler schälen. Anschliessend die Wurzel der Länge nach halbieren, mit der Schnittfläche auf ein Schneidebrett legen und dann mit dem Sparschäler möglichst gleichmässige Streifen abziehen.

Streifen in eine Schüssel geben, wenig Olivenöl darüberträufeln und alles mit den Händen gleichmässig vermischen. Jeder Streifen sollte mit einem dünnen Ölfilm überzogen sein. Es braucht wirklich nicht viel.

Ich gebe sie gerne in einen Antihaftbräter und röste sie während etwa 10 Minuten bei 200 Grad Umluft. Man kann sie auch auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech verteilen. Wichtig ist, dass sie locker verstreut werden und nicht auf einem Haufen liegen. Zwischendurch zwei, dreimal wenden und auflockern.

Mit frisch gemahlenem Pfeffer aus der Mühle und Fleur de Sel würzen. Und weil die auch ohne fette Dips schmecken, ist das alles in allem eine sehr schlanke Sache.


Reines Gemuese einschenken.

Seit Neustem trinke ich lauwarmes, püriertes Gemüse – und bin total angefixt!

Ich mache ja schon lange eigene Brühen und Fonds. Könnte ich allesamt literweise austrinken, würde ich sie nicht so sehr als grundsolide Basis für Saucen, Suppen oder Risotto benötigen.

Ja, selbst für einen simplen Gemüse-Risotto koche ich eine Karotte, Stangensellerie, eine Zwiebel, ein paar Pfefferkörner, ein Lorbeerblatt und einen Löffel passierte Tomaten auf und verwende diesen natürlichen Sud hundert mal lieber als einen Bouillonwürfel.

Die New Yorker machen übrigens gerade einen Riesenzirkus um selbstgemachte Brühe und sehen schon den nächsten mega Health Trend. Weil es den meisten aber doch zu aufwendig ist, holen sie sich einen Pappbecher to go in Lokalen wie dem Brodo (italienisch für Brühe) …

Nun denn. Kürzlich nun hatte ich Magenbeschwerden. Mir war alles andere, als nach Essen. Ich wollte meinen Magen etwas besänftigen und die Sprints vom Sofa auf die Toilette etwas in Schach halten.

Das funktioniert bei mir immer hundertprozentig verlässlich mit gekochten, pürierten Karotten. Warum dieses altbewährte Hausmittel so gut wirkt ist, hat man untersucht und festgestellt, dass beim Kochen der Karotten kleinste Zuckermoleküle entstehen, so genannte Oligosaccharide. Sie sind den Darmrezeptoren zum Verwechseln ähnlich, so dass die Bakterien statt an der Darmwand an den Zuckermolekülen andocken und einfach ausgeschieden werden.

Nebst der lindernden Wirkung, hat mir die, lauwarm aus einem Trinkglas eingenommene, Karottensuppe auch ausgesprochen gut geschmeckt. Dabei waren es doch nur: Wasser, Salz und Karotten?

Auch beim Zucchini-Risotto, der hier kürzlich vorgestellt wurde, habe ich mich schlagartig in die intensiv-grüne Zucchinicreme verliebt.

Ein paar Punkte, durch die sich meine „neuen“ Suppen von herkömmlichen Gemüsesuppen (wie diese hier, die ich natürlich nach wie vor auch mag) unterscheiden:

  • Auf das Anschwitzen von Zwiebeln wird verzichtet
  • Genauso auf Butter, Rahm und Öl
  • Das Gemüse wird nur mit Wasser bedeckt und weichgekocht
  • Aromagebende Zutaten werden nicht mitpüriert

Das Wichtigste ist aber tatsächlich, dass man die Suppe aus einem Glas trinkt – und nicht etwa löffelt! Es ist ein ganz anderes Ess-Gefühl. Die Suppe ist samtig weich, luftig und extrem mundfüllend, die intensive Farbe, Frische und Geschmackstiefe machen richtig Freude beim Trinken. Weil das Gemüse gekocht ist, ist nicht nur die Konsistenz weich, auch der Geschmack ist weich und rund.

Ein weiterer simpler Clou, um den Genuss hoch zu katapultieren ist, ein paar Flocken Fleur de Sel auf die Suppe zu streuen, kurz  bevor man trinkt. Das erzeugt eine erstaunliche Spannung zwischen Salzigkeit und Süsse.

Nach ein paar Schlucken, will man automatisch weitere Salzflocken darüber streuen, weil es so gut schmeckt. So rein. Sogar Pfeffer oder ein paar Tropfen Öl sind schon zu viel. Sie würden die Sanftheit, die Ausgewogenheit stören. Man sollte dieser Versuchung wirklich widerstehen.

So ab und zu muss auch ich auf die Bremse treten, damit ich bei aller Liebe zum Essen nicht aufgehe wie ein Ofenküchlein. Mit solchen leichten, aber aromareichen Süppchen mach ich das noch so gerne.

Und von wegen gesund, vegan, clean und all den Etiketten, die mich so was von nicht interessieren: Es ist tatsächlich – vegan. Aber ohne die üblichen Verdächtigen wie Sojasahne, Kokosmilch, Mandelmilch und sonstigen zwanghaft eingesetzten Ersatz-und-must-have-Produkte, ohne die Veganer anscheinend aufgeschmissen sind. Gemüse, Wasser, Salz. Eat this!

Ich werde wohl noch einige Varianten ausprobieren, diese hier hat mir heute besonders geschmeckt:

Fünf Karotten, ein Stück Knollensellerie und eine Zucchini schälen, grob würfeln und in einen Topf geben. Das weisse vom Lauch, Persilienstängel und eine Zwiebel dazugeben. Für eine mysteriöse Note und sublime Frische ein Stück Ingwer, zwei Wacholderbeeren und ein Stück Zitronenschale dazugeben. Alles mit Wasser bedecken, einmal aufkochen und dann zugedeckt, ohne Salz, etwa 30 Minuten weichkochen.

Lauch, Petersilienstängel, Zwiebel, Ingwer, Zitronenschale und Wacholderbeeren entfernen. Gemüse im eigenen Sud mit dem Mixer pürieren. Mit Salz abschmecken. 5 Minuten auskühlen lassen.

In Trinkgläser abfüllen, nach Belieben mit einem Küchenkraut garnieren und vor jedem Schluck ein paar Flocken Fleur de Sel auf die Suppe streuen.

Wenn die New Yorker das lesen, ist der nächste Hype gebongt.


Der Kohl-Koenner.

Tobias Zihlmann

Spitzenkoch Tobias Zihlmann macht mächtig Kohldampf auf Federkohl.

Anfangs Woche zeigte er virtuos wie versatil sich Grünkohl zubereiten lässt. Gleich sieben Gänge – vom Amuse bis zum Dessert – gab es zu degustieren, ohne dass sich auch nur ein My von Kohl-Koller breit machte.

Er verarbeitete den wunderschönen, palmblättrigen Nero di Toscana, dazu die Sorten Hoher Roter Krauser, Halbhoher Grüner, Westfälischer Winter, Ostfriesische Palme sowie die schmalblättrige Lärchenzunge. Alles Sorten mit unterschiedlichen Geschmacksnuancen und Eigenschaften, denen der kreative Koch mit innovativer Zubereitung erstaunliche Aromatik und Textur entlockte.

Federkohl gehört ja zu den ältesten verwendeten Kohlarten überhaupt. Und bei aller Liebe zu traditionellen Gerichten wie Ribollita oder Grünkohl mit Pinkel: Es gibt echt einige spannende Methoden ihn überraschend anders zu servieren. Vorreiter der neuen Kohlwelle sind zurzeit die Amerikaner, die den trendigen Kale ohne Ende rauf und runter rezeptieren und sogar zu healthy Smoothies verarbeiten.

Als Starter gab es frittierte Blätter. Das kann man gut finden. Wer steht nicht auf Frittiertes? Mir war es nach dem dritten Bissen einen Tick zu eindimensional. Begeistert war ich hingegen von der unscheinbaren Asche auf  Zitronen-Alpbutter zu vorzüglichem Sauerteigbrot. So einfach, so viel Geschmack. Klasse!

Bei den gedämpften Kohl-Wickeln mit geschmortem Entenschenkel versetzte die dazu gereichte Kohl-„Sojasauce“ einige Gäste in Verzückung. Tobias liess lange geschmorten Kohl mit Hefe über Nacht sous-vide fermentieren und gewann dadurch eine angenehme, süsslich-salzige Würzsauce mit Tiefgang. Bildet eine Gasse und wedelt mit euren Palmkohlblättern, dieses Elixier sollte als Standardsauce in die Küchen einziehen!

Beim nächsten Gang bildete fein geschnittener, kurz gebratener Schwarzkohl das Nest für ein in Nussbutter konfiertes Eigelb. Darünter Kürbispüree, darüber geröstete Kürbiskerne und – der Knaller: Bestes Kürbiskernöl vom Oelist, der mit seinen extrem hochwertigen Ölen gerade ziemlich für Furore bei Spitzenköchen wie Sven Wassmer sorgt.

Zum lauwarmen Saibling gab es unter einer hauchdünnen Scheibe schmelzenden Lardos einen knackigen Kohlstrunk vom Westfälischer Winter in einer milden Kohlbouillon. Tüpfchen im Töpfchen waren ein paar Tropfen bestes Haselnussöl – ihr wisst ja jetzt von wem.

Als Hauptgang geschmorte Brust von der alten Fleischrasse Evolèner Rind mit sauren Zwiebeln, gebratenem und gedämpften Kohl und einem Kartoffelschaum von den einzigartigen Bergkartoffeln aus dem Albulatal. Diese Kartoffeln sind übrigens eine Geschichte für sich. Sich einlesen und sie ausprobieren lohnt sich!

Beim Dessert schliesslich überraschte und überzeugte eine grandiose Kohlmelasse(!) mit konzentrierter Süsse und feiner Säure von Boskoop-Äpfeln. Dazu geschmorter Apfel, gepuffter Amaranth und mit Heu aromatisiertem Joghurt. Grosses Tennis.

Eingeladen zu diesem handverlesenen Federkohl-Dinner im Meyers Culinarium hatten ProSpecieRara und die Biogemüse-Erzeugergemeinschaft Terraviva.

Tobias Zihlmann, der lange Jahre in der Spitzengastronomie unterwegs war, macht sich als Berater selbstständig und ist unter anderem in Mission unterwegs: Er möchte Produzenten und Gastronomen zusammenbringen.

«Ich finde es sehr schade, dass beim Gemüse wenig Sortenbewusstsein vorhanden ist. Rüebli ist Rüebli oder eben Federkohl ist Federkohl. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, aus jeder Sorte die ganz spezifischen Vorzüge herauszuarbeiten, sie entsprechend zu verwenden und dieses Wissen auch weiterzugeben», sagt er.

Das Federkohl-Diner ist der erste Anlass in einer Reihe, mit der neue Zugänge zu alten Gemüsearten und -sorten einem Publikum aus Gastro-Kreisen näher gebracht werden sollen.

Gute Sache, viel Erfolg!

Wer bock hat, die Ärmel hochzukrempeln und etwas nachzukochen, kann sich an die beiden Rezepte wagen, die Tobias freundlicherweise zur Verfügung stellt.

Kale Dinner


Stille Wasser sind tief

Pot-au-feu peut-être un peu fou: Pot-au-fond.

Ich bin bestimmt nicht der Einzige. Wir alle, die wir unseren dunklen Fond selber machen, waren vermutlich schon an diesem Punkt. Wenn man die Nase über den betörenden Brodel hält und nahezu mit dem beinah unmerklich aufsteigenden Dunst abzuheben droht. Fasziniert, wie aus Wasser, Wein, Gemüse und Knochen über 10 Stunden simmernd quasi flüssiges Gold für Gourmets wird. Diesen Duft einatmet. Und dann ernsthaft denkt: «Ich könnt auf der Stelle den ganzen Pot austrinken!»

Aber dafür ist er uns dann doch zu wertvoll. Und das Gemüse irgendwie auch. Denn es ist trotz der langen Kochzeit nicht zerfallen, weil es konstant unterhalb des Siedepunktes garte.

Also habe ich es gestern aufgehoben. Das wenige Fleisch zwischen dem Bindegewebe der Knochenstücke vom Fuss, Schwanz und der Brust vom Kalb ausgelöst und mit dem Gemüse in Supperteller verteilt. Den Fond dreimal passiert und entfettet.

Dann etwas von dem Fond mit frischem Wasser gestreckt, aufgekocht und den Teller damit aufgegossen. Grosszügig mit Fleur de Sel gewürzt und ein paar frisch gezupfte Endivien- und Petersilienblätter dazugegeben.

Und dann bin ich abgetaucht, in den grand Pot-au-fond. Diesen hocharomatischen, abyssischen Sud. Nicht ohne mehrmals ungläubig nach Luft zu schnappen.

Als nächstes werde ich wohl ein Fondue aus Demiglace zubereiten. In das man Mocken von Fleisch tunken kann. Werdet schon sehn.


Lasst uns Wurzeln erschlagen

Und auf dem Spaltbock: Schlachtfrisches sowie bestens abgehangenes Gemüse!

Wurzelgemüse – wenn nicht im Winter, wann dann?

So reich, so gut und so leicht in flüssiges Gold verwandelt. Und zwar mit diesem archaischen Werkzeug. Ich nenne es gut schweizerisch Passevite.

Das verbittet sich der Franzose. Er nennt es passe-vite. Pardon. Eventuell noch moulinette. Der Italiener sagt passaverdure dazu. Oha! Frei übersetzt etwa Gemüsemühle, wie passend.

Welcher küchensprachlich frivole Teufel aber die Deutschen geritten hat, ist mir ein Rätsel: Flotte Lotte. Echt jetzt?

Zugegeben, es gibt hübschere Geräte als dieses abgewetzte Teil. Aber es ist ein Erbstück und mit besten kulinarischen Erinnerungen konnotiert. Und damit macht man richtig gute Gemüsesuppen.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass anständige Gemüsesuppen nur noch Crème, Süppchen, Schäumchen, oder fucking Cappuccino(!) sein dürfen?

Meine liebsten habe ich oft im Elsass bekommen. Mit kräftigem Weisswein-Geschmack. Rahmig, und mit diesen unzähligen kleinen Fettäuglein auf der Oberfläche. Da schmeckst du jedes Gemüse raus. Und das wollen wir doch, wenn wir eine Gemüsesuppe essen. Wollen wir das nicht?

Ich jedenfalls hab keine Freude an Gemüsesuppen die nur nach Zitronengras, Ingwer und uhh-ist-da-ein-Hauch-von-Kardamon? schmecken.

Jedenfalls nicht in unseren Breitengraden. Wenn ich Exotik im Suppenteller will, reise ich in ferne Länder.

Schaut mal bei Robert vorbei – allein schon wie viele Karottensorten es gibt. Dazu würfelt man Knollensellerie, jede Menge Rüben, Lauch, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Petersilienwurzeln und was ihr sonst noch so auf dem Markt findet. (Meine Geheimwaffe: Ein paar dicke weisse Rippen vom Mangold dazu).

Alles in Butter mit Zwiebeln anziehen ohne es zu bräunen. Mit ein bis zwei Gläsern Riesling ablöschen, reduzieren.

Jetzt kann man mit einer guten selbst gemachte Geflügel- oder Rindsbouillon aufgiessen, oder – wers vegetarisch mag – einfach mit Wasser. Das Gemüse entwickelt genug Aroma, wenn man es eine gute Stunde langsam köcheln lässt.

Ein Loorberblatt und zwei Wacholderbeeren liegen auch nicht ganz falsch darin.

Dann dreht man alles schön durch (wenn ich jetzt Flotte Lotte schreiben würde, merkt man, wie befremdlich das klingt) das Passevite. Mit Rahm aufgiessen und nochmals aufkochen.

Hat man die Suppe nur mit Wasser statt mit Boullion aufgegossen, fehlen die schönen Fettäuglein. Kein Problem, einfach einen Esslöffel klare Butter oder von eurem Lieblingsöl darüber träufeln.

Natürlich kann man auch einen anständigen Minestrone mit dem tollen Wintergemüse machen. Inspiration gibts hier.


Bei mir läuft im Moment alles im grünen Bereich. Obsessiv. Es kann gar nicht grün genug sein. Grünfutter muss täglich dazu, dazwischen daneben oder darunter sein, sonst fehlt mir etwas. Bin richtig süchtig danach. Und nicht selten wird das Grünfutter sogar zum Hauptfutter.

Mein liebster neuer Salat geht so: Salatgurke, Bleichsellerie, Koriander, Peperoncini (grün bis rot), Schalotten. Süsssaure Vinaigrette dazu: Zucker, Salz, Pfeffer, Weissweinessig, Olivenoel. Schön durchziehen lassen.

Passt übrigens bombastisch zu meinen legendären süss-scharfen Spare-Ribs.

Guacamole mag ich nach langer Abstinenz wieder sehr gerne. Und gerne nicht so sauer. Reife Avocado, Schalotten, Koriander, Petersilie, scharfe grüne Chilis, manchmal wenig winzig klein gewürfelte Tomaten und Olivenöl. Wenig Limettensaft. Keine Zitrone, ist meistens zu sauer oder zu aufdringlich.

Nebst Endivien, Lavata, Lollo, Frisee, Feld, Lattich und jungen Spinatblättern immer noch der Renner unter meinen Blattsalaten: Puntarelle von der Catalogna. Habe ich hier schon mal beschrieben.

Nach wie vor in der glücklichen Lage, gute und zahlbare Artischocken zu bekommen. Das ist dann so ein Fall von Haupfutter. Mehr als knupriges Brot braucht es zu den mit Knoblauch und Petersilie in Olivenöl zart geschmorten Lieblingen nicht.

Auch nach langer Zeit wieder neu entflammt: Die Liebe zu einer gut gemachten, dicken Brokkoli-Suppe. Dazu Crostini mit überbackenem Ziegenkäse. Fertig ist ein schlichtes, würziges kleines Abendmahl, das wärmt und sättigt.

Erbsen, zugegeben, meistens tiefgefrorene, haben auch Hochkonjunktur auf meinem Speiseplan. Tolle Begleiter im Risotto oder mit Pasta (asciutta oder in brodo), und zu Fisch- und Fleischeintöpfen.

Geht auch ohne Pasta: Mangold, Cima di Rapa, Catalogna, Spinat. Hauptsache Olivenöl und Knoblauch.

Und für die erste Grillade bei diesem Prachtswetter unverzichtbar: Friggitelli, kleine grüne Peperoni. Dass ich hier nirgends Pimientos de Padrón finde, kommt mir immer noch spanisch vor. Muss wohl selber welche anpflanzen.

Der Frühling hat ja eben erst begonnen!



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