Sehen statt essen

Erst dachte ich: Huch! Hat Horst Lichter hier gearbeitet, als er noch Haare hatte?

Verwunderlich wäre das bei diesem ubiquitären Herd-Tier ja nicht. Gibt es einen Ort, wo er zurzeit nicht zu sehen ist? Aber dann stünde da nicht «Vietato l’ingresso» sondern «Hereinspaziert!».

Dann dachte ich, nein, das muss ein Bruno Bozzetto sein! Wow, das hiesse ja fast, ich als passionierter Trophäensammler müsste die Plakette an der Hotelküchentüre unbemerkt an mich reissen.

Aber wenn man den Strich mit seinem Stripy vergleicht, merkt man sofort, da war wohl bloss wieder ein wüster Kopist am Werk.

Abgesehen davon; warum war in den siebziger Jahren die Liebe frei, aber nicht der Blick auf Restaurantküchen?

Führt die heutige Überkulinarisierung etwa zur Lust- oder Appetitlosigkeit? Kann man sich an Essen tatsächlich «satt» sehen?

Überhaupt, was heisst schon «das Auge isst mit»? Dieser Tage verschlingt doch das Auge mehr Essen, als wir je zu uns nehmen könnten!


Webmeisterin

Es gibt sehr viele Menschen, die sich davor ekeln, wie andere vor Spinnen: Web 2.0

Diese Menschen schreiben meistens für Medienunternehmen und meistens gegen das böse Internet. Vor allem gegen die vielen lästigen Blogs, in denen sich der Unachtsame unabsichtlich verfangen kann.

Deren Autoren, glauben sie, verstecken sich feige in dunklen Ecken. Und in ihrer Langeweile wissen sie nichts besseres zu tun, als ihre langweiligen Artikel, pardon, ihr langfädiges Gesabber ins Netz zu schlingen, um den bezahlten (und deswegen designierten) Schreibern hinterlistigt die rechtmässige Leserschaft abzufangen.

Eine kuriose Ansicht. Eine, die, wie ich finde, einer selbsternannten Schreibelite nicht zusteht. Weil sie schlicht undifferenziert und unreif ist.

Und ich muss zugeben, solche Blog-Bashing-Artikel würden mich anekeln, wenn ich sie nicht mit einem Wisch wegputzen könnte .

Deshalb will ich auch gar keine Debatte darüber anzetteln. Auch wenn ich selbstverständlich einräume, dass es viel Gesabber und langweilige Texte gibt – und zwar hüben wie drüben.

Nun, ich schreibe zwar auch für Geld und hin und wieder für Medienunternehmen. Vor allem aus Freude am Schreiben. Und ich kenne viele, die das auch tun und – oh, was für ein Zufall – sogar richtig gute Blogs betreiben.

Eine, die mich damit (wieder einmal) sehr beeindruckt hat, ist die Journalistin und Bloggerin Katharina Seiser aus Wien.

Sie zeigt (wieder einmal) mit einer Reportage in eins, zwei, drei, vier, fünf Teilen, was es heisst, in erster Linie leidenschaftlich zu schreiben – und das sowohl als Journalistin wie auch als Bloggerin.

Das, liebe Angsthasen, ist Web 2.0!


Noch einen Paulsen, bitte!

Soll jeder lesen, wie er will. Ich für meinen Teil habe mir die Geschichten von Stevan Paul wie exklusive Truffes zugeführt: Eine aufs Mal und höchstens eine pro Tag. So liess sich der Genuss aufs Angenehmste ausdehnen.

Und jeder soll lesen, wo er will. Aber wer seine Bücher gerne wie ein Plüschtier mit sich herumschleppt – ich kann dieses Buch sehr „für unterwegs“ empfehlen. Weil, nicht jedes Buch eignet sich ja, sagen wir, um in einem Café gelesen zu werden.

Mit diesem jedoch schafft man es spielend, sich von der Umwelt abzukapseln. Geradezu als stöpselte man sich seine Lieblingsmusik ins Ohr. Ich liebe es, in einer geräuschvollen Kulisse mit einem guten Buch abzutauchen.

Die Geschichten tragen einem im Nu davon. Und das schaffen sie ohne Kraftmeierei. Dafür ist Paul ein zu subtiler Erzähler. Seine Geschichten sind fragil und kraftvoll zugleich. Um es mit einer seiner bevorzugten Schreibweise zu formulieren: Man liest seine Geschichten nicht – man atmet sie ein!

Egal, ob er uns auf seine Klassenreise nach Ostberlin mitnimmt, wo er, kaum hinter dem antifaschistischen Schutzwall, durchbrennt, um sich eine authentische „Roster“-Bratwurst zu holen (Die Bratwurstpalme). Oder uns in eine menschenleere Bar in Berlin schleift, wo er sich neben Blixa Bargeld der Eleganz des Sonntagnachmittagstrinkens hingibt (Sonntagnachmittagstrinker).

Stevan Paul hat ein ganz grosses Gespür für die ganz kleinen Dramen im Alltag. Das mag man sehr an seinen Erzählungen.

Ganz besonders auch, wenn er Episoden aus seiner nicht ganz so ruhmreichen Zeit seiner Kochausbildung auf eine wohltuend intime Art ausbreitet (Dann sind wir Helden, nur diesen Tag oder Ich bin der Fischmensch).

Dazu kommt seine Eloquenz, sehr pointiert und selbstironisch zu erzählen. Menschen, die sich davor fürchten, im Café als «oh-Gott-wieder-einer-dieser-laut-aus-sich-heraus-lach-Leser!» abgestempelt zu werden, lesen das Buch wohl doch besser in den eigenen vier Wänden.

Ich weiss nicht, weshalb das englische Idiom «Don‘t judge a book by it‘s cover» so populär ist. Absoltuer Käse. Gerade der Umschlag eines Buches kann einen untrüglichen Eindruck auf den Inhalt vermitteln.

Bei «Monsieur, der Hummer und ich» stimmt einfach alles: Layout, Farbgestaltung, Bindung. Ich pflege jedes Buch mit Hardcover zu beklopfen, und der Klang dieses Buchs befriedigt mich sehr.

Auch der Inhalt ist gekonnt gesetzt. Jede Geschichte wird zudem mit einem soliden Rezept und filigranen Schwarzweiss-Bildern (Stevan Paul) flankiert.

Eine Rüge – die zwar in der Regel jeden Koch glücklich macht – muss er sich allerdings von mir gefallen lassen: Es hat vorzüglich geschmeckt, aber ich hab noch Hunger – Nachschlag bitte!

Neue Lesung: http://www.erlesen.tv/04-09-09-stevan-paul/
Alte Lesung: http://www.youtube.com/watch?v=4bSGgQRQLQQ
Kommende Lesungen und Blog: http://nutriculinary.com/


Bier auf Wein, das ist fein!

Endlich! Drüben auf wineontherocks.com hat mein münchner, nein, italienischer, nein, kanadischer, nein, quebecklicher Kumpel nach 4 (vier!) Trailern die erste Wein-,  also Bier-, also beides Episode reingestellt.

Enjoy it!


Geschmacksbildung

Holzmodell eines perfekten Sandwichs – nach der Vorstellung und Fingerfertigkeit meines sechsjährigen Sohnes (v.u.n.o.: Brot, Salami, Schinken, Brot, Tomate, Brot)

Mein jüngerer Sohn (6) hat sich auf dem Robinson-Spielplatz künstlerisch mit Essen auseinandergesetzt. Als Abwechslung zu den üblichen Holz-Schiffchen und -Schwertern, hat er sich aus eigenen Stücken ein Holz-Sandwich gebaut. Er ist ganz zufrieden mit seinem Prototyp. Sein Papa dagegen würde ihn am liebsten auffressen vor Freude!

Mein älterer Sohn (10) hat sich ebenfalls der Kunst gewidmet: Der Kunst, schlechtem Essen auszuweichen und dabei trotzdem nicht zu verhungern. Er besuchte eines der Sportcamps (Racketsport), die das Kantonale Sportamt während den Schulferien jeweils ausschreibt. Mit dem Essen war er nicht ganz zufrieden. Sein Papa dagegen könnte sich vor Wut in den Hintern beissen!

Der Grund dafür ist dieser ausgewogene, appetitanregende Speiseplan, den Papa Staat in Absprache mit dem Sport-Center aufgetischt hat:

Tag 1

1 Wienerli (2. auf Wunsch), Chips (Salz und Paprika), Gurkensalat
Dessert: Mohrenkopf

Tag 2

Penne, Tomatensauce (separat)
Dessert: Glacé (Migros-Lutscher)

Tag 3

Büchsen-Ravioli (sic!), Gurkensalat
Dessert: Glacé (Frisco Cornet)

Tag 4

Klöpfer-Würfeli an Bratensauce, Reis, Gurkensalat
Dessert: Glacé (Migros-Lutscher)

Tag 5

Abschlussessen, Kinder bestellen am Vortag (!)
Weisses Toastbrot-Sandwich mit a) Salami oder b) Käse
Dessert: Glacé (Migros-Lutscher)

Immer: Brot. Nie: Gemüse, Blattsalat, Früchte, Getreideriegel.

Gespielt, gerannt und geschwitzt wurde jeweils von 10 bis 15 Uhr. Gute Zeiten für den Veranstalter, schlechte Zeiten für Kindern mit gesundem Appetit. Znüni und Zvieri fallen weg. Man kann sich also voll auf die Zubereitung des Mittagessens konzentrieren und somit auch aus dem Vollen schöpfen.

Ich verkneife mir (vorerst) Kommentare. Ich habe nämlich eine Zwischenfrage: Kann jemand nachvollziehen, dass ich vor Entrüstung eine leichte Gereiztheit im Magen verspüre?

Die zweite Frage ist: Mit welchem Vorbild versucht man hier hungrige, junge Sportler zu nähren? «Mister Perfect» ist für einmal wohl kaum Pate gestaden?

Da liest man täglich von Gesundheitsförderungsprogrammen und Präventionskampagnen. Gegen dramatisch steigendes Übergewicht bei Kindern. Für die dringende Rettung der Esskultur im Lande. Nimmt leer schluckend die Summen Steuergelder, die diese Massnahmen verschlingen zur Kenntnis und fragt sich: Sind das wirklich eure besten Rezepte?

Man muss sich ja von gut bezahlten Gutmenschen von Amtes wegen einiges unter die Nase reiben lassen. Wie man zu essen, zu leben und zu erziehen habe. Man wird erstaunlich schnell satt davon, aber gegessen hat man nicht.

Wirklich ungeniessbar ist aber die Tatsache, dass zunehmend Kinder einem immer grösseren Weltverbesserer-Druck ausgesetzt sind. Sie sollen die Beautiful Minds in den Perfect Bodies werden und alles besser machen, was die Vorbilder dieser Welt auf Schritt und Tritt verbocken und verbrechen.

Ja, selbstverständlich bin ich hingegangen. Natürlich bin ich hin. Ohne gerhard-rumzupoltern zwar, aber ich wollte den Organisatoren schon auf den Zahn fühlen.

Die Antworten, die ich bekommen habe, sind allerdings das Allerbitterste: «Die Kinder lieben das Essen! Seit Jahren sind die Sportwochen ausgebucht und auch deshalb ein so grosser Erfolg, weil den Teilnehmern das Essen so gut schmeckt.»

Mein Gott, was essen die denn DAHEIM, wenn sie DAS HIER gut finden!

«Erstens: Wir wollen keinen Essterror machen oder die Kinder in ihrem Essverhalten umerziehen. Hier kommt alles kindergerecht auf den Tisch: keine Kräuter, keine zu starken Gewürze, Saucen immer separat.» Unkompliziert soll es sein, heisst es. Etwas Süsses nach dem Essen sei den Kindern fast wichtiger, als ein ausgefeiltes Menü.

Ich bekomme Bewertungsschreiben vorgelegt, die am Ende der Woche jeweils anonym von den Kindern ausgefüllt werden (man ist ja dem Sportamt gegenüber verpflichtet …): «Essen super!», «Das Essen fand ich immer besonders toll.», «Komme nächstes Jahr wieder, das Essen war sooo gut.»

Er zählt alle aktuellen Bogen durch – ein einziger von 22 schreibt: «Das Essen fand ich nicht so gut. Aber gegessen habe ich es trotzdem.» (Ich und die Leser dieses Blogs wissen, wer das geschrieben hat!)

«Hier essen die Kinder sogar Dinge, die sie zuhause nie essen würden: Büchsen-Ravioli zum Beispiel. Oder wir hatten einen Moslem. Der darf ja kein Schweinefleisch essen. Aber die Wienerli hatte er am liebsten. Wir mussten allerdings versprechen, es nicht seiner Mutter zu verraten.»

«Früchte, Salat, gekochtes Gemüse. Haben wir alles schon versucht. Haben sie immer stehen gelassen. Nein, nein. So wie wir das machen, ist das schon gut.»

Ich gebe zu, das fühlt sich für mich an wie eine Totalkapitulation. Aber irgendetwas sagt mir, dass nicht ich kapituliert habe.

Ausführung eines perfekten Sandwichs – nach der Vorliebe und Fingerfertigkeit meines sechsjährigen Sohnes (Butter-Silserli, Kopfsalat, Gurken-Tomate-Spiess).


Gute Unterhaltung

Ob‘s mir nun schmeckt oder nicht. Ich habe der Leseschaft hier versprochen, Video- und Audiomaterial über meine Buchveröffentlichung zu servieren.

Ich frage mich natürlich mittlerweile schon, ob dadurch das Ende des „anonymen“ Kochs eingeläutet wird, oder ob das nicht auch die Eröffnungsmelodie zu einer Erfolgsgeschichte sein könnte.

Denn so richtig geplant war das ja alles nicht. Da setzt man aus reiner Notwehr einen Blog ins Netz (hören wollte mein Kochgesülze ja schon lange niemand mehr, aber raus musste es trotzdem und wer immer es lesen wollte – ich habe ihn nicht dazu gezwungen) und dann kommt ein Verlag und bringt ein Stein nach dem anderen ins Rollen.

Wie auch immer, es bleibt spannend und es macht Freude und es ist angerichtet. Bon app!

G|U Video-Porträt vom 1. September 2009

Film ansehen

Auch wenn ich hier wie ein Gebrauchtwagenhändler wirke, in Wirklichkeit bin ich weder Roadsterbesitzer noch brate ich mir einen halben Ochsen auf einem Parkdeck. Schon gar nicht auf einem Campingkocher! Aber hey, das hier ist Film, nicht die Realität (aber schön war es trotzdem und das Fleisch war brachial gut!)

BLR | Radiodienst Radiointerview vom 31. August 2009

AK Interview Radiodienst

Ich glaube, ich brauche einen Sprachcoach. Schweizerdeutsch denken und Hochdeutsch sprechen verzögert meinen verbalen Output um gefühlte dreissig Bremsfallschirme.

Radio1 Radiointerview vom 31. August 2009

AK Interview Radio1

Ja, liebe Nichthelvetier. So klingt Schweizerdeutsch. Sie Züritüütsch, ich Baslerisch. Vergesst nicht, wenn ihr euch beim Lachen fast bepinkelt, dass wir uns dafür genau so herzhaft über Bayerisch, Wienerisch, Sächsisch oder was auch immer amüsieren können.

BRF Radiointerview vom 4. Septermber 2009

AK Interview brf1

Weder der Belgische Rundfunk an sich war mir bisher bekannt, noch die Tatsache, dass dort ebenfalls Deutsch gesprochen wird. Dass die Moderatorin nach dem Interview einen Song von Emilíana Torrini einspielt, der mit „Hey, I‘m in love“ beginnt, nehme ich jetzt mal als belgische Charmoffensive.

Zum Schluss – auch das noch: Der erste Paparazzo-Schuss. Ausgerechnet bei den Sonderangeboten in der Fleischabteilung eines italienischen Supermercatos! Dass dann perfiderweise auch noch „Wurstel“ über meinem Haupt hängt, zeigt, wie niederträchtig Paparazzis operieren.

Habt Spass und esst was Anständiges dazu.


Cocco beellloooo!

Coccobello

Manchmal möchte man einfach nachechoen: Streptokokk-oooo!


Drehmoment in MUC

Tribu

Es logiert sich angenehm, oberhalb vom Bayerischen Landtag. Mein Verlag schenkt mir die Aufmerksamkeit, als wäre ich ein Ambasciatore. Was ich ja im Grunde für sie auch bin. Und ich bin es gern. Schliesslich ist es auch mein Buch.

Am Abend vor dem Drehtag hätte ich noch gerne eine weitere Episode meiner liebsten Fernsehserie, Rescue me, gesehen. Das ist die Serie, welche die Programmleitung des Schweizer Fernsehens überforderte. Sie wurde mal früher, mal später ausgestrahlt, mal dahin, mal dorthin geschoben und irgendwann komplett in den Leutschenbach gekippt. Hat bestimmt keiner gesehen.

Montags ist sie (viziöse Programmänderung vorbehalten) auf ORF zu sehen – nach 24 Uhr. Ist halt ne taffe Serie, also muss man auch bis spät in die Nacht ausharren können, oder sich halt einen DVD-Recorder zulegen. Aber das Hotel verfügt leider nicht über ORF. Dafür über einen Toilettenspülkasten, der ununterbrochen sein Plätscherprogramm spielt. Ich tue einfach so, als wäre ich ein Shaolin-Mönch.

Das seichte Gluckern soll mich in einen Zustand höchster Harmonie versetzen und mich sanft in einen hypnotischen Schlaf wiegen. Tatsächlich lässt mich die Zufriedenheit über den relaxten Abend im Negroni mit meinen liebsten Autorenkollegen Nicky und Sebastian einen beschwipsten Schlaf finden.

Städte sollen ja einen ihnen eigenen Geruch haben. Ich hätte das bis jetzt nie zuordnen können. Aber bei München ist es sehr präsent. Es ist eine Mischung aus süssem Senf, feinem Essig, Gewürzen und Abkochbrühe. Oder griffiger: München riecht wie ein Gurkenglas.

Ich besuche München erst das vierte Mal. Man darf besuchen sagen, weil diese Stadt einen zu empfangen und zu bewirten versteht. Es ist unfassbar, wie wichtig Münchnern gutes Essen ist. An jeder Ecke kann man sich mit Essen beschäftigen.

Allerdings muss man aufpassen, dass man unbeschadet dorthin kommt. Kampfradler könnten einen auf dem Weg zu Brei fahren. In der Schweiz werden solche Übeltreter auch Bikenazis genannt. Aber die sind geradezu harmlos im Gegensatz zu den Münchner Tret-Eseln.

Die Daumen scheinen denen mit der Fahrradklingel verwachsen zu sein. Nur bimmeln sie immer erst eine Sekunde bevor es kracht, wenn überhaupt. Die Kaltmamsell weiss nicht nur über diese Münchner Marotte zu erzählen.

Nachts mit einem Roadster durch die sommerlich leergefegten Strassen zu knattern ist fast surreal schön. Friedlich. Nicht wie in Zürich, wo dich laufend Testosteron anpöbelt, anhupt oder blöd anmacht.

Ja, Roadster. Ich hab die Kurve gerade noch gekriegt. Das Drehbuch für den Buchtrailer sah Szenen mit einem Auto vor. Wie wäre es mit einem neuen Fiat 500? Unmöglich, sagte ich. Kamera, Ton und mein Ego haben dort niemals Platz.

Ich bin echt gespannt, wie dieser 14-Stunden-Drehtag auf einen 4-Minuten-Clip eingedampft werden soll. Aber ich mache ja auch aus 10 Litern Fond einen Liter Demiglace. Die bekommen das bestimmt hin, so wie sie ein enorm unaufgeregtes, angenehmes Setting hinbekommen haben.

Kamera

Wir haben an vielen aufregenden Orten gedreht. Und die Postkartensujets Münchens sind nur so vorbeigeflogen.

Aber ich will auch die kleinen, unauffälligen Dinge sehen. Das Unscheinbare, Alltägliche. Manchmal Hilflose. «Macht‘s ihr an Fuim?»

Asia Huette

Asia Hütte II. Das klingt nach einem billigen Horrorstreifen. Irgendwelche zivilisationsmüde Kiffer, die den ultimativen Freedom for Globetrottel suchen, werden in ihrem Dschungelcamp von heimtückischen Biestern aufgefressen – schnell im Biss.

Was ist falsch an richtigen Namen für Restaurants? Warum nennen die sich nicht einfach Huin? Chen oder Wang?

Backshop

Und was bitte verkauft ein „Hinterer Laden“? Falls „Backshop“ irgendwie Appetit auf Frischgebackenes evozieren soll – nein, tut es nicht. Das sieht für mich aus wie die Beschriftung für einen PC-Ersatzteil-Shop. Und disqualifiziert sich ein „Stehcafé“ nicht aus dem Stegreif selbst?

Barista

Diese zarten Wesen stehen wohl auf Cappuccino mit einem Herzilein auf dem „i“. Und ich weiss nicht, was man da genau „haben“ kann: Kaffee, Espresso & einen Barista? Ist das der mit den Tattoos?

Im Oberpollinger ist natürlich alles anders. Fast noch trauriger. Vor der Heimreise besorge ich Kindergeschenke. Lasse sie im Vierten einpacken. Einzeln bitte. «Na hören Sie. Ich weiss nicht, ob ich das kann. Wenn dann eine Schlange kommt?» «Dann schauen Sie, dass sie nicht gebissen werden», erwidere ich. «Lassen Sie sich Zeit. Ich bin im Fünften und esse kurz etwas, danke!»

Ich setze mich an die schicke Bar und bestelle einen Salamiteller mit Antipasti und ein San Pellegrino. Hocken drei Alkis da. Es ist halb drei. Draussen ballert die Sonne dreissig Grad hin.

Ich schaue konzentriert weg. Auf die handbetriebene, rotlackierte Berkel. Wie sie schwungvoll hauchdünne Scheiben schneidet. Die drei Männer starren derweil auf einen tonlosen Michael Schumacher, der auf dem Flatscreen hinter dem Tresen seine Lippen bewegt wie ein kleiner Pilotfisch. Jeder von Ihnen ein Weizen vor sich. Nicht das erste.

«Servus, Vroni», sagt die Bedienung. Vroni sagt nichts. Die Bedienung stellt ihr ein Glas Champagner hin. «Servus», sagt ein vierter Mann, der sich zwischen den ersten und den zweiten Mann setzt. Er starrt auch auf Schumacher und sagt zu ihm: «Der Alois is gschdorbn».

Keiner reagiert. Nach einer Minute nimmt das Pockengesicht neben mir einen grossen Schluck Weizen, haucht ein langes „H“ aus und fragt: «Wann isser denn gschdorbn?» «Na, gestern.» «Wia alt wara denn?» «Zwaiasibzg wara wordn», sagt die mit dem Champagner – die kennen sich alle!

Vielleicht sollten wir doch eine Lesung auf die Beine stellen. Wer weiss. Warten wir erst mal den Film ab. One day in September irgendwann.

Dachterasse


Kohl-Dampf

mabe Riesenkohl Anzeige

Den Herrn auf dieser Anzeige für mabe (Mexico) kenne ich nicht. Wohl aber den netten Herrn Bönney, der mir heute diese Anzeige geschickt hat. Sali, Bani, Danki!

Ich darf dazu noch folgendes anmerken: Ich mag kein XXL. Seltenst.

Bei Gemüse schon gar nicht. Immer liege ich mit der älteren Gärtnersgeneration im Clinch. Ich will meine Beeren hängen lassen, bis sie zuckersüss werden, die militanten Gartenrentner rupfen sie mir stocksauer (die Beeren, machmal auch die Rentner) vom Busch. Dazu rügen sie mich mit einer Verständnisslosigkeit, als wär ich die faule Pechmarie.

Im Gegenzug jedoch lassen sie ihre Gemüse schwellen, als müssten sie Dolly Buster beweisen: Es geht noch dicker! Gerade Zucchini werden so lange liegen gelassen, bis mir der Appetit danach vergeht. Mit geradezu infantilem Stolz präsentieren sie dann, wer den Grössten hat.

Nur geniessen kann man das nicht mehr; wässrig, zähe Schale, wallnussgrosse Kerne. Was soll denn das?

Ich meine, wenn ich schon den Luxus betreibe, eigenes Gemüse zu ziehen, dann will ich mir auch den Luxus leisten, zarte Zucchiniblüten zu pflücken und zu geniessen. Oder Zucchini abzunehmen, die noch so klein und zart und fein im Aroma sind, wie man sie nirgends sonst zu kaufen bekommt (ausser auf gut sortierten italienischen Märkten, dort wo man sich ebenfalls über die Monstergemüse-Hobbyanbauer krumm lacht).

Ach, was erzähl ich da. Der nächste Beitrag – wieder mal ein Gastbeitrag – handelt genau von so einer monströsen Zucchini.

Jenseits des Atlantiks liebt man ja XXL. Bei Dollys und auch bei Lebensmitteln. Fällt mir jetzt wieder ein. Ich war zwar noch nie in USA. Aber Canada war auch nicht schlecht. Abgesehen von den, im Vergleich zu europäischen Massen, bis zu dreimal so grossen Cerealienpackungen oder Schokoriegeln, schockierten mich vor allem die überdimensionalen Früchte und Gemüse!

Äpfel in Handballgrösse, Kartoffeln – vermutlich in der Nähe eines lecken Kernkraftwerks gezogen, so missgebildet gross waren die, oder Erdbeeren mit den Ausmassen eines Reinigungsschwamms. Dazu natürlich alles makellos, ohne eine einzige Schramme oder Deformation (von der unnatürlichen Grösse mal abgesehen) und in einer Farbe und einem Glanz als wären die komischen Dinger von Jeff Koons in Polyester gegossen.

Obwohl, vielleicht ist das normal und bei uns ist alles winzig? Sind nicht auch, sagen wir mal, Insekten, vieeel grösser dort? Na, die muss ich wenigstens nicht essen.


Qualitaly Ketchup

Wenn man sich schon «Qualitaly» aufs Hemd schreibt, sollte man es nicht mit einem Tippfehler bekleckern.



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