Schoen gefangen

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Ich könnte mich daran gewöhnen. Schon wieder ein Paket mit einem Preis für die Nominierung bei den Genussblog Awards. Diesmal ein Grauer Burgunder von Wittman gestiftet von Viva-Vino. Herzlichen Dank!

Da mach ich mir und meinen Co-Autoren doch einen schönen Fisch dazu. Apropos Fisch – dieses Jahr ist im Romatikhotel Böglerhof grad zweimal etwas Peinliches passiert: Das Erste betrifft den Küchenchef und mich.

Er hatte die Gäste eingeladen, mit ihm zu kochen. Einen Morgen lang ein gemeinsames Mittagessen zubereiten und dann gemeinsam geniessen. Man brauchte sich nur in der Liste einzutragen an der Rezeption. Super! hab ich mir gesagt und meinen Namen nach dem Frühstück draufgesetzt. Am Abend hiess dann, sorry, findet nicht statt, zu wenig Anmeldungen. «Aber sie haben doch gar kein Limit angegeben?». «Ja, nein, jein! Ist aber so.». «Okay», sag ich, und frag in meine Familienrunde: «Wer ist alles dabei?». Wir sind dann auf sechs gekommen.
«Reicht das für die Durchführung?». «Moment, ich geh fragen.»

Sie kam dann zurück mit einem Der-Chef-hat-gesagt-ich-soll-Sie-anlügen-aber-so-dass-Sie-es-nicht-merken-Gesicht: «Tut mir leid, es müssen schon acht Personen sein!». Na schön, das wars dann. Ausweichtermin wurde keiner angeboten. Ich war ziemlich enttäuscht.

Die zweite Peinlichkeit betrifft ebenfalls den Küchenchef und mich. Am Abend des siebengängigen Gourmetdinners ging alles ein bisschen sehr schleppend voran und ich war immer noch die gekränkte Leberwurst, die an jedem Gang etwas zu mäkeln hatte. Beim Loup de mer, den meine Frau serviert bekam, sagte ich: «Also wenn der Küchenchef behauptet, diese Forelle sei ein Loup de mer, dann ist er schon sehr, sehr mutig!». Die Serviceangestellte wusste leider keinen Rat und pfichtete mir sogar bei, als ich etwas von ein-Seeteufel-sieht-für-mich-also-ein-bisschen-anders-aus schwafelte (ja der Alkohol, das lange Warten, meine grosse Fresse – irgendwie kam alles zusammen).

Die arme Angestellte schickte sich sofort an, beim Küchenchef persönlich nachzufragen und selbstverständlich den Fisch umzutauschen, wenn wir Seeteufel bestellt hätten. Als Sie zurück kam (mit dem Loup de mer auf dem Teller) triumphierte sie: «Ich soll Ihnen vom Küchenchef bestellen, dass Seeteufel auf Französisch Baudroie oder Lotte heisst. Der Loup de mer hingegen ist ein Wolfsbarsch und einer der edelsten Fische überhaupt – das hat mit einer Forelle gar nichts gemein!»

Ich hätte mir die Zunge rausschneiden können! Es war dann einer der weniger angenehmen Abende im Hotel, und nebst dem Küchenchef hatte ich noch jemanden sehr verärgert – fängt mit „F“ an und hört mit „rau“ auf.

Ich tappe mit den Namen dieser beiden Fische immer wieder in die Falle, zumal mir jeweils noch die italienischen Begriffe coda di rospo (Krötenschwanz) oder rana pescatrice (Fischerfrosch) für Seeteufel und Spigola oder Branzino für den Wolfsbarsch in die Quere kommen.

Aber genug der Ausreden! Ich muss es jetzt ein für alle Mal begreifen!

Das hier ist Kollege Wolfsbarsch. Oder französisch Loup de Mer (Mittelmeer) oder Bar (Atlantik).

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Tut mir unendlich leid, dass ich den edelsten Fisch als Forelle bezeichnet habe. Mea culpa! Zur Strafe schreib ich 100 mal:

Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch. Der Loup de Mer ist ein Wolfsbarsch.

Der Typ hier mit der grossen Fresse hingegen (er entspricht eher meinem Wesen) ist der Seeteufel. Französisch Baudroie oder Lotte.

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Ich glaub, dem Küchenchef und meinen Mitreisenden bin ich auch noch eine Entschuldigung schuldig: SORRY!

Also ich glaube, den Grauen Burgunder von Wittman werd ich zu einem Wolfsbarsch servieren. Zum ersten Mal übrigens (ehem!). Ich nehme an, er wird wohl nicht so perfekt wie im Böglerhof.

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Wie im Film

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Noch bevor ich das Training beende, überkommt mich diese Lust auf fettiges Essen. Anstatt froh zu sein, den inneren Schweinehund besiegt und Überflüssiges
rausgeschwitzt zu haben, reklamiert mein Körper lipide Hyperkompensation:
Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach.

Also peile ich auf dem Heimweg die nächste Tankstelle an, um mich mit einer Familienpackung Chips einzudecken. Beim Einbiegen fällt mir an der Ecke ein junger Mann auf, dem ich spontan eine gewaltsame monetäre Hyper­kompensation zutrauen würde. 22 Uhr 15, wieso nicht. An der Shop-Kasse wartend, denke ich: «Wieso nicht?», weil wir hier mitten in einem Wohnquartier sind. Weil da draussen drei Autos an der Zapfsäule hängen. Und weil neben der Tankstelle ein Fastfood-Restaurant bis 24 Uhr junge, wachsame Menschen bedient.

Ich zahle, steige ins Auto und fahr los. Der ist ja immer noch da! Sein Baseball-Cap sitzt tief im Gesicht. Er wendet sich ab und zieht an seiner Zigarette. Ich denke mir, vielleicht ist jetzt doch Prime Time für Crime Time, setz den Wagen über die Strasse und parkiere ihn mit der Schnauze vor eine Metzgerei.

Ich mach es mir in meinem Reality-Autokino bequem, reiss die Chipstüte auf und lehne mich über den Rücksitz: In meiner Heckscheibe läuft gerade eine neue Folge «Tatort». Dort ist er. Jetzt sieh sich mal einer diesen Isnogood an! Steht nervös an der Ecke und fixiert die Tankstelle. Checkt ab und zu alle vier Himmelsrichtungen ab und lockert dabei seine Schultern, als gehe er zum 100-Meter-Lauf. Ich glaub ich träume! Was mach ich da eigentlich? «Die Polizei rufen», hör ich mich sagen. Aber was erzähle ich denen? «Sie, da will einer eine Tankstelle überfallen!». «Jaja, jetzt mal langsam. Wie heissen Sie? Von wo aus rufen Sie an?». Die nehmen einem doch so was nie im Leben ab. Dein Freund und Helfer. Nimmt jemand diesen Spruch etwa ernst? Mich nehmen die ja auch nicht ernst. Lieber ruf ich den Kerl in der Tankstelle an, er soll sich vorsehen. Vorsehen? Der nimmt mir das noch weniger ab, als die Polizei. Und die wollen sicher ein Signalement: männlich, etwa 18, 1,70 gross, 60 Kilo, Jeans, weisse Turnschuhe, weisser Sweater, weisse Baseballkappe – hab ich weiss gesagt? Okay, vergiss es! Kein Mensch kann so doof sein, weisse Sachen für einen nächtlichen Überfall zu tragen.

Das Problem ist, man hat zu viele solcher Filme gesehen. Und vom Sofa aus weiss man dann auch immer alles besser, als die Darsteller im Film. «Wieso geht der jetzt hinten rum?», denkt man sich. «Was muss der jetzt da rumschnüffeln? Ich hätt schon längst die Cops gerufen!» Hätt ich das? Die Tankstelle leert sich langsam. Noch ein Auto am Tanken. Zwei Kunden im Shop.

«Mmh, Chips. Salzig, fettig.» Genau das, was ich gebraucht habe. Das Auto fährt weg. Noch ein Kunde im Shop. Wo zum Teufel ist mein Mobiltelefon? Ich krame in meiner Sporttasche. Die Tankstelle ist jetzt leer, der ­Shop auch und mein Kopf wir es auch bald sein – stockender Blut­kreislauf! Keine Fussgänger, kein Verkehr, keine Kunden auf dem Fastfood-Parkplatz: Jetzt! Er sprintet direkt auf den Shop zu.
In einem Höllenzahn überquert er Strasse und Tankstellenplatz. Dreissig, vierzig Meter vielleicht.

Ich schmeiss meine Chipstüte weg und drück die Tasten auf meinem Telefon, «Tasten gesperrt! Freigabe mit „Freigeben“ und Taste #». Der Mann an der Kasse liest Zeitung. Jetzt schaut er auf. Der Täter (so muss man ihn nun wohl bezeichnen) kommt ihm mit grossen Schritten entgegen. Mit gestrecktem Arm, in der Hand eine Waffe. Wie im Film! Ich warte auf meine Verbindung – nichts! Ein Blick auf das Display: «111». Wie im Film! Das gibts doch gar nicht, ich habe die Auskunft statt die «117» gewählt! So doof sind nicht mal die Darsteller in B-Movies!

Der Mann an der Kasse nickt. Er öffnet die Kasse und übergibt dem Täter eine Hand voll Scheine. Der flüchtet damit. Ich schmeiss mein Telefon weg und starte den Motor. Wenn ich ihn verfolge, kann ich der Polizei mindestens brauchbare Infos per Telefon durchgeben. Er biegt rechts ein, ich folge – weg ist er!

Ich kurve minutenlang erfolglos durch die Quartierstrassen. Als ich wieder auf die Hauptstrasse vor die Tankstelle komme, stehen da zwei Streifen und zwei zivile Polizeiwagen. Der Mann vom Tankstellenshop wird befragt. Er wirkt gelassen.
War wohl nicht sein erster Überfall.

Anstatt froh zu sein, jetzt wichtige Hinweise an die Polizei liefern zu können, reklamiert mein Körper totale Entspannung: Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach.

Ich mach es mir in meinem Reality-Autokino bequem, greif mir die Chipstüte und lehne mich über den Rücksitz: In meiner Heckscheibe läuft gerade eine neue Folge «Kottan ermittelt».

(Illu: Patrick Widmer)


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Die lieben Chinesen

Ja, sie schmeissen Katzen, wie Hummer, lebend in einen siedendheissen Kochtopf. Sie geben Hunde Feinstes zu fressen, klopfen es ihnen wieder aus dem Ranzen, um es dann mit frischem Koriander selbst zu verspeisen. Sie häuten Schlangen bei lebendigem Leibe, schneiden ihr die Galle raus und exen diese mit einem Fusel-Schnaps (ja, geh, hol dir den Stoff auf youtube, Sensations-Junkie).

Aber von einen verdammtem Schimmelkäse von Maître Antony aus Ferrette kriegen sie das Kalte Kotzen.

Wie dem auch sei. Ich war in Peking. Ich habe gegessen. Und es war toll, es war sogar unglaublich.

Okay, mit der Frische übertreiben sies manchmal ein bisschen (die verdammte Katze versucht verdammte 90 Sekunden aus dem verdammten siedendheissen Kochtopf zu kriechen! Ich habs am Chinesischen Fernsehen gesehen. Nein, gekostet habe ich nicht davon. Hätte ich sollen?).

Aber eine vielfältigere Küche ist mir noch nie begegnet. Und man darf zwischen jedem Gang rauchen! Nach Lust und Laune. Sogar während den Gängen.

Achtung: DAS BESTE, was ich je in meinem Leben gegessen (oder besser gesagt, gelutscht) habe, war das 2,5 x 1 x 0,3 cm grosse, in Zucker getauchtes, Stückchen Haut mit Fett einer Pekingente! Mit Besserem hatte mein Gaumen bislang noch keinen Kontakt.

Gnadenlos heiss und NUR gut – die Perfektion. Für diese 2,5 x 1 x 0,3 cm würde ich jederzeit 1321.01 Euro ausgeben, damit ich wieder nach Peking fliegen darf. Leider waren diese 2,5 x 1 x 0,3 cm so schnell weg, dass es für kein anständiges Bild gereicht hat.

Aber das hier sieht doch auch schön aus: Eiersuppe

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Männersuppe: Gehobelter Stierschwanz mit Seepferdchen…

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«1000 Jahr alte Eier»: In Wirklichkeit nur vier bis sechs Monate fermentiert.

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PS: Ein nett gemeinter Ratschlag. Wenn eure chinesische Begleitung euch die Ehre zuteilt, den ungeschnittenen Kopf der Pekingente zu essen, so rate ich euch dies grinsend abzulehnen.

Ich habe leider höflich zugesagt. Wenn einem beim ersten Biss nicht gleich die Hälfte aller Zahnfüllungen rausploppt, hat man das Gefühl, auf knapp gehärtetem Beton rumzukauen.

Aber die Chinesen an meinem Tisch fanden es irrsinnig witzig und lachen heute noch über mich ?

Mehr davon kann euch Matthew Lee erzählen, er hatte mir den Kopf offeriert. Ihr könnt ihn jederzeit anrufen und nach der Story fragen. Jederzeit heisst auch mitten in der Nacht. Grüsst ihn lieb von mir.


Red Hot Chili Peperoncini

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Das ist die ganze magere Ernte 2007: 2 Peperoncini-Schoten.

Dabei hat alles so gut angefangen. Im Winter hatte ich ein paar Samen meiner getrockneten Chilistaude in ein Marmeladeglas gelegt. Hab sie auf feuchte Baumwollwatte gebettet und das Glas auf den Heizkörper gestellt.

Hei, wie das schoss!

Nach ein paar Tagen hatte ich ein paar wunderbare Keimlinge. Motiviert ging ich sofort daran, Zitronenkerne, Oliven und dergleichen zu ziehen. Naja, reden wir nicht mehr darüber (das Zitronenpflänzchen lag schon seit Wochen im Koma. Ich habe es heute erlöst). Die Olivenkerne dankten mir meinen euphorischen Einsatz, ihnen Leben einzuhauchen, mit Schimmel.

Aber die Peperoncini gedeihten herrlich und entwicklten sogar die ersten Schoten.

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Aber seit Juni wars das dann auch. Mehr als die zwei Schoten gab das zarte Pflänzchen nicht her, so oft ich ihr auch Anthony Kiedis «’a Looooooove»-Songs vorspielte (oder sang, hm, obs wohl daran lag?)

Aber zum Glück bin ich, wie fast jeden Herbst, bei meinen Eltern in den Abruzzen zu Besuch. Und da mache ich immer in Villetta Barrea halt.

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Dort kaufe ich dann jeweils zwei Dinge fürs Jahr ein: eine Peperoncino-Staude und einen Knoblauchbund des einzigartigen Aglio rosso di Sulmona.

Der hält dann jeweils bis im Mai. Den Peperoncino verwende ich in Stücken und dann, Ende Saison, bevor ich wieder neuen hole, hächsle ich ihn im Tritatutto (Zerkleinerungsmaschine) und verwende ihn wie den türkischen Biber als Streuwürze oder um meine Sojasauce turbomässig anzufeuern.

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O Salame mio!

Ich kann es nicht fassen: Blutbad in Reggio Emilia! Es ist noch keine Woche her, seit ich da war. Im Herzen der Emilia Romagna. Jetzt blutet es.

Als naiver Fress-Touri konnte ich kaum satt werden. Nicht vom Essen, nicht von den Menschen noch von den Strassenbildern mit den alten Fassaden – Pfirsichrot und Khakigelb.

Alles hier ist so intim, so überschaubar und intakt. Die Altstadt wäre ein perfektes Retro-Filmset. Man hört noch die Droschken aus Verdis Zeit klappern. Piazza Prampolini – so gross und doch so still, eine Wohnstube unter freiem Himmel.

Die Bars stellen Sofas auf die Piazza. Nicht einfach vors Caffè, nein, auf den Platz. Und dann sitzt man abends da wie bei guten Freunden zuhause und unterhält sich bei einem Amaro.

Dieser Ort ist mystisch, mit seinem typischen Nebel der Po-Ebene, im gelben Licht der Laternen. Ein Mikroklima, in welchem Parmiggiano Reggiano, Rohschinken, Salami und Culatello heranreifen und wo Traubenmost zur wertvollen Essenz Aceto Balsamico Tradizionale konzetriert wird.

Und hier gibt es die Antica Salumeria Giorgio Pancaldi: Das Schlaraffenland der Salamis, das Paradies des Prosciutto.

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Alles supertradizionell: die Produkte, die Kundschaft, die Angestellten. Zuerst wird man beraten, man probiert, schmeckt und sucht aus, dann wird gewogen und eingepackt und ein Ticket ausgedruckt. Mit dem geht man rüber zur Kasse, bezahlt und erst dann darf man wieder zum Verkäufer und sich seinen Einkauf holen.

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Schön dekadent auch der vollgeladene Einkaufswagen(!) mit Prosciutto Crudo vor dem Eingang. Und die verwitterten Preistafeln mit Tiefpreisen (Offertissima!!!) – als ob es um den Preis ginge.

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Ich werde nicht schlau aus dieser Region. Das ist Fellini-Land, alles irgendwie surreal. So traditionell und doch zerfallen, so innovativ und doch unter den Rädern.

Man arbeitet hier für 1300 Euro im Monat, aber schon die Schuhe, die sie tragen, kosten 325 Euro. Rentner tragen hier nicht Mephisto, sondern Würde. Und das sieht verdammt schick aus!

Der Bluttäter, der die Idylle getrübt hat, wurde übrigens von der Polizia erschossen.


Christo, anche Chris!

Romanowski

Das aktuelle Monatsmagazin des Gambero Rosso serviert die grosse Genuss-Umfrage «Italia mon amour».

49 von 100 angefragte ausländische Gourmets und Gastronomen haben enthüllt, was sie in Sachen Essen & Trinken von der Halbinsel erwarten und wie diese Erwartungen bei einem Besuch erfüllt wurden.

Eitel, wie die Italiener nun mal sind, wollten sie sich ein Bild davon machen, wie sie von ausgewiesenen Food Travelers im Ausland wahrgenommen werden.

Denn als Opinion Leader in ihren Ländern beeinflussen diese natürlich das Image der Dolce Vita-Tischsitten wesentlich mit.

Ja und wer hockt da und gibt seinen Senf dazu?

Der Christian Romanowski, alias kochmesser.de und gourmetreport.de und Sponsor und Jurymitglied des Genussblog-Awards 2007!

Fazit der Umfrage: Bravi, bravissimi, campioni del mondo!

Wer nach Italien reist, um gut zu essen, wird selten enttäuscht, heisst es da.
Die Mehrheit der Befragten ist überzeugt, in Italien besser zu essen als im eigenen Land. Und sie wollen so schnell wie möglich wieder kommen, denn ihr Aufenthalt war viel zu kurz und der Appetit nach mehr viel zu gross.

Aber die schönste Erkenntnis der «Gambero Rosso»-Redaktion: «Kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen!».

Das gefällt mir – mal andere Töne als im italienischen Fussball, wo selbstgefälliges und pomadiges Auftreten zum Hauptgang gehören.


Danke, Tanke

Agip

Gibt es ein schöneres Logo für einen Kraftstoffkonzern?

Egal wohin die Reise geht, dieses feuerspeiende Fabelwesen zieht den Blick magisch auf sich. Weg von der Strasse auf das leuchtend gelbe Viereck.

Wenn man motorisiert durch Italien reist, wo dieses Wappentier beheimatet ist, kann man auf zwei Arten darauf reagieren, A: sich am Design freuen und zufrieden Gas geben, oder B: sich am Design freuen und den Blinker stellen.

Entscheidet man sich zum Beispiel auf der Autobahn für B, liest man bei der Ausfahrt AREA DI SERVIZIO.

Auf Deutsch könnte man das salopp mit «Dienstleistungszone» übersetzen.

Auf Deutsch heissen diese Zonen ja leider Raststätte. Und genau so empfinde ich sie auch: Personal und Service sind zum ausrasten! Das Angebot ist schlecht, das Design mies und die Stimmung genervt aggresiv.

Ach ja, sofern nicht schon 24 Uhr ist, denn dann sind sie in der Schweiz meistens schon geschlossen. Hallo!?

In Italien hingegen ist ein Halt in einer Area di Servizio wie Ferien in den Ferien. Benzin darf man entweder selber zapfen oder sich von lustigen Mannen (für den Kick durchaus mal rauchend oder mobiltelefonierend) zapfen lassen.

Innen geht es dann nicht nur um die bestmögliche, schnellste und günstigste Verpflegung für die entspannte Weiterfahrt, nein, es gibt teuflisch gute regionale Spezialitäten zu entdecken.

Und dann die stylischen Print- und Unterhaltungsmedien! Für einen erwachsenen Mann ist es echt schwierig, wieder zum Ausgang zu finden.

Zuerst aber noch zum Herzstück: Der Espresso!

Das Personal hat zwar einen verdammt miesen Lohn, üble Arbeitszeiten und noch üblere Arbeitsuniformen, aber hey, muss man das jeden Kunden spüren lassen?

Nein, das hier sind Profis. Richtig stolze Baristas, die ihre Kaffeemaschine fahren wie Valentino Rossi eine Ducati.

LaCimbali

Jeder Handgriff sitzt.

Kolben ausklopfen: «Klonk, klonk!», Kaffee portionieren: «Schtlack, schtlack!», eindrehen, Knopf drücken: «brrrrrrrrr!», wie in Zeitlupe schleicht das heisse Gebräu in die dickwandige Tasse.

Untertasse und Löffelchen auf den Tresen stellen, Zuckerdose ranschieben, umdrehen, Tasse drauf, Kassenticket schnappen, einreissen, 360-Flip mit der Untertasse für den nächsten Kunden, 1x wischen: «Caffè?».

Ich betrinke mich regelrecht mit Espresso, wenn ich in Italien bin.

Mittlerweile bekommt man bei uns schon recht guten Espresso. Aber was ist gut
im Vergleich zu perfekt?

Eben, gar nichts.

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Jetzt aber Stimmung!

Genussblog_Button

Yeeeeeeehaaaw!

Unser Blog hat es bei der Jury der Genussblogs Awards 2007 unter die ersten 10 geschafft!

Jetzt gehts um die Publikums-Wurscht: Leserinnen und Leser wählen ihren liebsten (also am liebsten unseren) Genussblog.

Hier gehts zum Voting.

Danke allen für die Stimmungsmache!


Very peculiar, indeed

Thorntons_1

Engländer. Was soll man davon halten?

Die Franzosen sagen ja gerne: «Ils sont capable du pire comme du meilleur.».

Und es gibt doch diesen blöden Witz, wo im Himmel der Italo der Liebhaber ist, der Franzose kocht und so weiter. In der Hölle dagegen sind alle Jobs komplett falsch verteilt – und der arme Engländer steht in der Küche.

Inzwischen haben alle ihr positives Klischee selbst demontiert. Nur, bei den Engländern ist das anders. Sie sind drauf und dran die Welt als Spitzenköche zu erobern. Na ja, an Sportgeist mangelt es ihnen zuletzt.

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Ich liebe die Engländer für so vieles, schräges, stylisches, aber am meisten für die himmlischen Toffees von Thorntons.

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So sah die alte Verpackung aus.

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Die neue Verpackung ist total gelungen und gleichzeitig total in die Hose gegangen: Das Redesign mit der ruhigen Farbfläche und der aufgeräumten Typo ist sehr sexy. Der wenig rigide Karton mit der unpraktischen Öffnung aber billig und unpraktisch.

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Man muss von Öffnung statt von Verschluss sprechen, weil verschliessen lässt sich die Schachtel nicht. Das ist ärgerlich. Und es zeigt, dass die Franzosen doch nicht ganz unrecht haben mit ihrer anzüglichen Bemerkung über die Briten.

But we still do love them, do we?


Marketing

Huusbrot
«Zwei Gipfeli und ein Käseküchlein.», normalerweise sind das meine ersten fünf Worte nach dem Aufstehn.

Ok, stimmt nicht ganz. Es kommt immer noch ein «Guten Morgen» dazu. Anyway. Als sich Frau Brülhart, Frontfrau einer der wohl letzten und ältesten eigenständigen Bäckereien im Kleinbasel, heute Morgen zuerst zum Gipfelikörbchen und dann zum Käseküchleinblech dreht, bemerke ich am Brotregal ein kleines Schild, das bislang noch nicht da war: «HUUSBROT»

Es ist ja klar, dass ich sofort wissen muss, was es damit auf sich hat.

«Ach, wissen Sie, das ist das Braum…», eben will sie ihre Geschichte erzählen, als ihr Mann, der Bäckermeister persönlich, an den Ladentisch hervortritt und seine Gattin unterbricht.

Er trägt ein weisses, ziemlich ausgeleiertes T-Shirt. Mit ausgeleiert meine ich, der Kragen hängt bis zur Mitte der Brust. «Wissen Sie,» er stützt sich mit den Armen auf den dicken Stapel Broteinwickelpapier, «damals hatte ich Znüünidienst bei der Warteck. Jeden Morgen brachte ich eine Auswahl Backwaren in den Pausenraum. Und da gabs einen Tschechen. Manchmal musste ich ihm Mehl bringen. Manchmal Hefe. „Fürs Brauerei-Labor“, sagte er. Irgenwann fragte ich ihn, was er eigenlich damit mache.»

Brülhart beginnt laut zu lachen: «Do isch dä a koo mit emme schwarze Bängeli. Das het ussgsee wien e Läbkueche. Do han i gseit, do stimmt öppis nid! Gib mir emol. Und derno han i afo pröble. So ischs Braumeischerbroot entstande!».

Das war also Braumeisterbrot. Ein Brot aus demselben Malz, wie es zum Brauen von duklem Bier verwendet wird. Genauer aus «Caramünch Malz». Cara, weil die Gerste so lange gestöstet wird, bis der Zucker zu kara-melisieren beginnt und Münch, weil München der Hauptabnehmer war. (Keine Angst. Wusste ich bis vor ein paar Stunden alles auch nicht.)

Die besagte Malzgerste liess er sich von da an sogar direkt aus dem Bayrischen Bamberg liefern. Aber der Zoll verteuerte und die Behörden verhinderten unnötig, weil sie ihm nicht glaubten, dass er wirklich kein flüssiges Brot produziere. So hat er einen Lieferanten in Basel gesucht.

«Der Tscheche hat dann sogar prozessiert und Geld verlangt!», Brülharts Stimme poltert laut, wandelt sich aber sogleich in ein spitzbübischen Lächeln: «er hat verloren und wurde sogar vor die Warteckdirektion zitiert, weil er seine Backexperimente während der Arbeitszeit durchführte. Ich hingegen durfte weiter backen.», er macht eine kurze Pause: «Nur verkauft hat sich dieses Brot nie richtig.»

Der Clou der Geschichte kommt aber erst jetzt: Vor ein paar Tagen findet Hugo Brülhart eine Pappe mit der Aufschrift «Huusbrot».

Er schneidet sie ein wenig zurecht, pinnt sie unter seinen Ladenhüter und – schwupps! – seither verkauft er sein Brauermeisterbrot genau so gut, wie die anderen Brote.

Und ausserdem hat er seitdem oft Gelegenheit, seine schon fast in Vergessenheit geratene, abenteuerliche Geschichte neugierigen Kunden zu erzählen.

Wies schmeckt? Bin, ehrlich gesagt, noch nicht dazu gekommen, es zu probieren.
Tu ich aber gleich!



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