Allergische Allegorie

Diese Art von „Information“ auf die Etikette einer transparenten Verpackung mit drei ganzen Goldbrassen zu drucken, ist doch nichts anderes, als Allergikern kalt ins Gesicht zu klatschen: Wir halten euch im Fall für die dümmsten Schwachmaten auf diesem Planeten.

Also liebe Allergiker, wenn ihr in den nächsten Ferien am Meer frischen Fisch kauft, vergesst nicht, den grimmig dreinblickenden Fischhändler zu fragen, ob da eventuell Fisch drin ist!


Scharffes Kraut-Stil

Rendez-Vous mit der Cuisina Herba Barona im lauschigen Botanikum, München.

Mit den Küchenkräutern, die ich verwende, käme keine Gärtnerei auf einen grünen Zweig. Die paar Gewächse hätten locker auf einer Fensterbank platz: Petersilie, Schnittlauch, Basilikum, Rosmarin, Thymian, Salbei, Estragon, Pfefferminze, selten mal Koriander.

Einzig der Lorbeer hat ein Plätzchen in meinem Gartenbeet. Sein Kumpel, ein stämmiger Rosmarin, den ich die letzten 5 Jahre grossgezogen habe, hat die letzte Schweizer Eiszeit nicht überlebt. R.I.P. Brother.

Es ist auch so, dass jedes Kraut seinen festen Einsatzplan in meiner Küche hat. Selten duldet ein Rezept ein zweites Kraut als Geschmacksgeber. Das empfinden viele als engstirnig. Aber warum schwärmen sie dann von der genial einfachen italienischen Küche, frage ich mich.

Der Journalist Peter Ruch, der mich einmal zu meinem Buch interviewt hat, nervte sich gar über meinen inflationären Gebrauch dieser verdammten glatten Petersilie. Vielleicht versteht er doch nicht so viel von simpler Küche, wie er glaubt. Aber, nundefahne, kann der geil über Autos schreiben! Sein Webzine Radical-Mag ist zurzeit bestimmt der schärfste Spross unter den deutschsprachigen Autopostillen.

Einer, der sich mit einer anderen Art von PS auskennt – der Pflanzenstärke – ist der Spitzenkoch Peter Scharff. Er hat es sich zur Lebensphilosophie gemacht, mit vergessenen Kräutern neue, überraschende Rezepte zu entwickeln. In der von AEG ins Leben gerufenen Reihe der Masterclasses durfte ich als Gast einen Hauch von seinem immensen Wissen erschnuppern.

Das Botanikum in München bot dafür den ausserordentlich gelungen Rahmen. Zumal die abendliche Sommerstimmung einen auf Côte d‘Azur machte. Da passte sogar der etwas pudrige Holunderblütenzauber von Bernulf Schlauch zum herzlichen Empfang.

Als Amuse-Gueule gab es ein lauwarmes, wachsweiches Wachtelei mit Safranschaum. Darunter, zur Überraschung, eine feine Kräutercrème. Auch die Tomaten-Bruschetta hatte ein Darunter: Ein hochparfümiertes Tomatenpesto mit Olivenkraut, Thymian, Rosmarin … Ich musste kurz für mich schmunzeln. Neben meinem geistigen Ohr hörte ich eine resolute Toskanerin schnauben: Santo cielo! Hat der Koch Rasierwasser an seinen Händen?

Bei der theoretischen Einführung in seine Kräuterwelt, lüftete Peter Scharff jedoch schnell den Vorhang zu einem wahren Aromen-Dschungel. Und auf gut Baseldeutsch sagte ich mir: Y ha kai Ahnig vo dr Botanik!

Über 200 Sorten Küchenkräuter baut sein langjähriger Weggefährte, und stiller Star hinter Scharffs kulinarischer Kompetenz, Bernd Simon an. Darunter alleine mehr als 30 unterschiedliche Basilikumsorten.

Zur Einstimmung auf das Menu folgte nach der Theorie das Gegenteil von Blendung: Alle Gäste bekamen eine Schlafbrille aufgesetzt. Der Zweck sollte trotzdem so etwas wie einer Erleuchtung dienen. Blind, am Arm des Personals hinaus in den Garten geführt, mussten wir brav dahockend eine Kaskade meditativer Klänge und suggestivem Geschwafel über die göttergleiche Genialität von Spitzenköchen lauschen. Aber alles was ich hören konnte, war eine innere Stimme, die mir sagte: Was hast du hier verloren?

Doch dann kam die Illumination in Form von fünf kleinen Kräuterblättchen. Nacheinander durften wir kauend schmecken und riechen – ein kleines, wirkungsvolles Experiment, das einem die Geschmacksbreite von Küchenkräutern vors blinde Auge geführt hat:

Schottisches Austernkraut (feiner Algengeschmack), Zitronenbasilikum (intensiv, zitronig, frisch), Kretischer Oregano (Jassu, eine Offenbarung!), Marokkanische Minze (oh, Schande, man denkt sogleich an Kaugummi!), Stevia (honigsüsses Konzentrat) ein Kraut übrigens, das ein perfekter Zuckerersatz wäre, von der EU aber nicht als Lebensmittelzusatz zugelassen ist.

Oregano, aber das nur nebenbei, hat auch einen Haken. Einen phonetischen. Ich höre noch zu oft Leute O/re/gaano sagen anstatt O/re/gano. Also bitte. Es heisst ja auch Ba/si/li/kum und nicht Ba/si/li/kum. Danke.

Als ersten Gang hat sich Peter Scharff etwas Schönes einfallen lassen: Hühnerbrühe. Ein Gericht, so Scharff, das wohl auf der ganzen Welt zubereitet wird. Er serviert uns fünf Espressotassen der gleichen Brühe. In jede Tasse gibt er jeweils nur ein einziges frisches Kräutlein und reisst damit schon wieder eine Verkettung von Geschmackserinnerungen und -orientierung auf: Kaffirlimette für Asien, Oregano für Mittelmeer, Koriander für Indien, Liebstöckel für Deutschland und Marokkanische Minze für den Orient.

Weiter geht es mit einer gebeizten Rotbarbe auf einem Tomatenconfit (diesmal extrem schön ausgewogen, bestehend aus Tomaten-Concassée, getrockneten Tomaten, konfierten Zitronen und Oliven). Das Kraut dazu? Basilikum, was sonst zu Tomaten. Jedoch gleich in sieben verschiedenen Sorten.

Als Fleischgang bringt er eine Paillarde vom Wagyurind mit dreierlei Thymian auf einer cremigen Polenta. Dazu trinken wir einen wunderbaren 2004 Granato der famosen Elisabetta Foradori.

Sommelier Rüdiger Meyer begleitet den Abend ohnehin souverän mit einer formidablen Auswahl: 2009 Alter Wengert,  2009 Pouilly Fuissé und zum Nachtisch Silvaner Beerenauslese, 2006 Iphöfer Kronsberg.

Scharff arbeitet zur Vertiefung seiner Küchenkräuterkenntnisse mit dem Max-Planck-Institut zusammen und macht uns auf die Publikation Journal Culinaire aufmerksam, die von Prof. Dr. Thomas Vilgis mitherausgegeben wird. Zum Thema Kräuter gibt es online eine Leseprobe (No. 12, Fokus: Kräuter, pdf).

Es wird in der heutigen Hochgastronomie viel von Texturen gesprochen. Simpel heruntergebrochen auf ein Küchenkraut serviert er ein Stückchen Ananas mit vier verschiedenen Formen von Koriander, von links: Samen, Blatt, Stängel, Wurzel.

Zum Dessert gibt es fünf sehr gelungene Kombinationen, im Uhrzeigersinn von oben: Banane mit Micromeria Fructicosa, Schokomousse mit Dill, Zimtpfeffer (sehr fleischige Blattkonsistenz) in dunkler Schokolade, Aprikose und Thymianblättchen, gelierte Waldmeisterbowle mit marinierten Erdbeeren.

Witzig: Den Zimtpfeffer durfte Peter Scharff selber benennen. Die Pflanze war in Deutschland noch nicht registriert. Sie kommt ursprünglich aus Gran Canaria und hört dort auf den Namen Cannella.

Als Geschenk überlässt er uns drei hocharomatische Öle aus seinen Kräuterdestillaten und den Tipp, Kräuter immer frisch zu verwenden und erst kurz vor dem Servieren auf den Teller oder zum Gericht zu geben.

Dazu noch ein letzter Vergleich: Tomaten, Gurken und Avocadowürfel einmal 4 Stunden mit einem Gewürzöl mariniert und einmal kurz vor dem Servieren damit beträufelt. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Ich glaube, das mit den Kräutern auf der Fensterbank sind tempi passati. Ich will meinen Kräutergarten!


Speck hilft Wunden heilen

Ich bin nicht der Einzige, der die Füsschen meiner Kinder zum Anknabbern findet, auch Nachbars Katze hat sich heute ganz verbissen darauf gestürzt – dabei war das Speckpflaster noch gar nicht drauf!


Kennen Sie Carli?

Läuft seit 100 Jahren wie geschmiert, Olivenöl-Direktverkauf von Fratelli Carli.

Natürlich ist es die romantischere Vorstellung, das sorgsam ausgesuchte Olivenöl extra vergine stamme von einem liebenswert knorrigen Olivenbauern.

Einem Olivenbaumflüsterer, der seinen Früchtchen an seinen fünf Bäumchen jeden Tag ein lustiges Liedchen auf seiner Maultrommel vorspielt. Und wenn sie die perfekte Reife erreicht haben, huscht er in seine von den Römern erbaute Steinmühle und füllt – nur für uns und ein paar Freunde – einige wenige Fläschchen kaltgepresstes Olivenöl ab.

Deshalb ist man skeptisch, wenn man zum ersten Mal den grossen Parkplatz auf dem Firmengelände der Fratelli Carli in Imperia ansteuert. Es regnet seit Tagen und es ist unerwartet kalt für einen April an der Ligurischen Küste.

Graue Gewerbezone statt grüne Olivenbäume.

Aber man ist froh, dass man dieses Ausflugsziel gefunden hat und seinen Kindern nicht alle zehn Minuten erklären muss, dass heute kein guter Tag ist, um am Strand spielen zu gehen.

Finale Ligure, frei von Massentouristen und massenwareandrehenden Verkäufern.

Eigentlich sind wir wegen dem Olivenbaum-Museum hier. Und es wird sich herausstellen, dass es das kultivierteste  – und intakteste – Museum ist, in das man in Italien je einen Fuss gesetzt hat.

Gescheite Ernährungsphilosophie per Knopfdruck

Doch vorher frage ich, mehr aus Jux, den Portier, ob man nicht auch den Betrieb besichtigen dürfe. «Wie viele Personen, vier? In 25 Minuten ist jemand da, der Ihnen gerne alles zeigt.»

Wie bitte, eine individuelle Führung ohne Anmeldung? Hab ich Oliven auf den Ohren? «Leider sehen Sie nur die Abfüllerei. Die letzten Oliven wurden vor einem Monat gepresst. Aber besuchen Sie doch inzwischen unseren Laden, dann machen Sie die Führung und am Schluss das Museum. Oder ganz wie Ihnen danach ist.»

«Ain moo-ment, doitch speaking froilain kommte!»

Er hat Laden gesagt. Das hier ist ein Concept Store. Das Angebot reicht quer durch das Carli Olivenölsortiment zu hübsch eingemachten Pasten und Gemüsen, über Kosmetika auf Olivenölbasis bis zu einer Showküche mit angegliederten Schulungsräumen. Ein Kamerateam ist vor Ort und interviewt einen unverschämt gut gekleideten Marketingmann von Carli.

Eroberung von Feinschmeckerherzen mit einem kleinen Olivenölimperium

Die machen das gut, die Carlis, denke ich. So was von offen und gegenwartsnah. Vor hundert Jahren radelte der junge Carli mit seinen schweren Ölflaschen von Tür zu Tür. Und auch heute wird ohne Zwischenhandel ausschliesslich direkt an Private verkauft. Nur über Postversand oder Webshop. Keine nervigen Anrufe, keine lästigen Vertreter.

Sieht einen ausgefüllten Arbeitstag vorbeiziehen und ab und an neugierige Kunden

Die machen das gut, die Carlis. Die deklarieren, woher die Oliven für ihre nativen Olivenöle herkommen und warum nur gute Oliven ein gutes Olivenöl ergeben. D.O.P. (goldene Etikette) Ligurien, Fruttato (gelbe Etikette) Italien, Delicato (weisse Etikette) Spanien. Die „Blends“ werden ähnlich den Kriterien einer guten Weinassemblage selektioniert.

Jeder bekommt das, wofür er bereit ist, zu zahlen. Und die aktuellen Werte der chemischen Analyse liegen jeder Lieferung bei.

Ich sags mal so, für einen modernen Grossbetrieb liefert Carli anständiges Olivenöl zu einem fairen Preis. Das wird mich natürlich nicht davon abhalten, einem liebenswert knorrigen Olivenbauern Öl abzukaufen, wenn ich wieder einmal einem begegne. Auch wenn damit noch lange keine Gewähr für gutes Olivenöl gegeben ist.

Ich persönlich mag das eher sanfte ligurische Olivenöl. Wobei Carlis limitiertes D.O.P. aus ligurischen Taggiasche Oliven das kräftigste ist, nach frischen Mandeln und grünen Tomaten schmeckt. Es ist angenehm pikant, aber nicht zu kratzig.

Beim Einkauf in der Region hatte ich Glück und erwischte von den stacheligen Artischokken aus Albenga. Weichgeschmort und lauwarm serviert mit Büffelmozzarella und Carlis D.O.P. Olivenöl – eine Offenbarung.

Schlechtes Wetter an der ligurischen Küste führt aber nicht nur in Museen und Werksbesichtigungen sondern auch zu ausgedehnten Restaurantbesuchen. Einige typische Spezialitäten mit kuriosen Namen hatte ich zuvor noch nie gegessen:

Brandacujon ist ein sehr gelungener „Kartoffelsalat“ mit Stockfisch.

Cappon Magro ist ein traditioneller Genueser Meersteller mit grüner Sauce.

Negje (sprich „nesche“) sind frittierte „Hostien“ mit einer Kalbs-/Gemüsefüllung.

Trofje einmal nicht mit dem obligaten Pesto alla Genovese sondern mit Sepiatinte, Seppioline und Artischokken.

Wer also während der kommenden Badesaison in Ligurien unter Strandkoller oder Regentagen leidet, kann sich mit einem Besuch bei Carli oder in traditionellen Restaurants gut über Wasser halten.


Die hohe Kunst der herzensguten Kocherei.

Ein Freund kommt aus Marokko zurück und mailt mir diese fabulöse Fotografie. Er schreibt: «Nach rund drei Stunden durfte ich ein wunderbares Couscous à la grand-mère geniessen.»

Wir können Essen drehen und wenden wie wir wollen: Es ist und bleibt mehr als nur die Summe aus Produkt und Kochtechnik. Sich ernähren bedeutet Geschichte, Kultur, Tradition, Geselligkeit und Austausch.

Das erklärt auch, warum manch ein einfaches Mahl manchmal tausendmal besser schmeckt, als ein krampfhaft kreativ elaboriertes Sternegericht.

Pardon, ich schwelge gerade wieder einmal in tausendundeinem Klischee.


Konfliktherd Kaffeekueche

Gibt es eigentlich irgendwo eine einzige Büroküche, die konfliktfrei funktioniert?

Ich meine, abgesehen von der TV-Serie Mad Men, in welcher der chauvinistische Sozialdruck der Sixties die Arbeitsteilung eisern regelt.

Als Freischaffender interessiert einen die Frage kaum. Wenn man zu faul ist, seine Tasse abzuspülen oder frische Milch zu besorgen, geht man höchstens sich selbst auf den Sack.

Aber wie sehr sich ein Arbeitsklima aufgrund von Kollegen mit mangelhafter Soft Skill «Küchenkompetenz» aufheizen kann, wird mir so regelmässig wie ungezügelt zugetragen. Und nur zu lebhaft erinnere ich mich an eigene Erfahrungen in diversen Firmen – immer sorgten eigentliche Banalitäten des Büroküchenbetriebs für sozialen Sprengstoff.

Egal ob es sich um einen einfachen Pausenraum oder eine Kaffeeecke mit Kochnische handelt. Es sind immer die Emotionen, die mit besonderer Vorliebe hochgekocht werden.

Klar, am einfachsten wäre es, eine professionelle Kantine zu betreiben. Oder, in kleinen Betrieben, eine bestimmte Person zum Küchendienst zu verdonnern. Oft geht aber beides nicht, weil die Mittel dazu fehlen – einmal die flüssigen, andererseits die arbeitsmoralischen.

Eigentlich dürfte man doch heute von selbständigen, erwachsenen Menschen erwarten, dass sie ein Minimum an Umgansformen und Gemeinsinn in ihren Arbeitsalltag einbringen können.

Aber je flacher die Hierarchie, desto triefender die Fettnäpfchen: Es gibt das Krümelproblem, das Abwaschproblem, das Geruchsproblem, das Entsorgungsproblem, das Milchproblem (immer zu viel, zu wenig oder schon hinüber), das Kaffeemaschinenreinigungsproblem, das Tassen-, Becher- und Geschirrproblem, das Fruchtfliegenproblem, das Vorratsproblem und eigentlich müsste am «Endlager» Kühlschrank eh ein Warnkleber «Biohazard» haften.

Gut, man muss  fragen, wie schlimm ist es? Aber verglichen mit was, Salmonellen?

Flankiert werden die Probleme mit einem Reigen renitenter Ausreden, wenn man versucht, sie zu lokalisieren: «Das war ich nicht, ich war gestern gar nicht da.», «Ich hab meine eigene Tasse und die wasch ich immer gleich ab.», «Lass nur, ich machs dann schon noch.»

Dazu gesellt sich eine Grauzone an Allgemeindelikten, gegen die es leider keine gesetzliche Handhabe gibt: Zum Beispiel Oversize-Tassen im Diddl-Look benutzen. Frühmorgens Stullen mit Zwiebelkompott schmieren oder die Geschäftsräumlichkeiten mit Kohldämpfen zu versüssen.

Man würde die Missetäter zur Strafe am liebsten öffentlich auspeitschen lassen, sofern man sie in flagranti ertappte oder Strassburg darin keinen Verstoss gegen die Menschenrechtskonvention monierte.

Vielleicht würde es aber auch helfen, deren Passfoto auf A4-Grösse zu pumpen und an die Küchenwand zu pinnen, darunter ein paar Dartpfeile und der Hinweis: «Ernie, Küchenschlampe der Woche».

Oder hat irgendwer ein Patentrezept, wie man die Kaffeeküche-Krux lösen kann?


Stilvoll aufschneiden

Männer tun gut daran, sich «Diamonds are a Girl‘s best friend» als Post-it an ihren Frontallappen zu kleben. So abwegig ist dieses Wortgeklingel nämlich nicht.

Von mindestens so praktischem Nutzen ist die Einsicht: Der beste Freund eines Mannes ist das Messer. «Ist es nicht der Hund?», mag da einer einwenden. Ja, manchmal schon. Aber praxisbezogen ungünstiger, weil er einem die Wurst nicht schneidet, sondern wegfrisst.

«Ein richtiger Schweizer hat immer ein Sackmesser dabei!», wurde mir schon von klein auf eingeschärft. An sich kein unkluger Rat, den man sich durchaus auch als Nichthelvetier fürs Leben merken kann.

Für einen Buben kommt es einem Ritterschlag gleich, ein erstes, eigenes Swiss Army Knife geschenkt zu bekommen. Damit ist man dann bestens für den Bubenalltag gerüstet, oder um sein erstes Sommerlager zu überleben.

Irgendwer muss schliesslich all das Holz schnitzen, das so rumliegt. Ich meine, so ein Bub kann bestimmt länger an einem Holzstecken schnitzen als ein Köter an einem erbeuteten Knochen nagen.

Schnell musste man allerdings feststellen, dass man mit einem Taschenmesser vielleicht das Wichtigste dabei hatte, was ein Mann dabei haben muss. Aber gruppendynamisch dabei war man deshalb noch lange nicht.

Wer die Topliga aufmischen wollte, brauchte ein „richtiges“ Messer. Eines, das gut sichtbar in einer Lederscheide am Hosengurt getragen wurde. Einen Dolch, ein Jagdmesser oder – noch besser: ein Bowie Knife!

Ordentlich Respekt wurde auch einem Schweizer Offiziers-Bajonett gezollt. Schwarz, mit einer Stahlscheide und höllisch scharf geschliffen.

Christian, den alle nur Niki Lauda nannten, weil er diesem wie aus dem Gesicht geschnitten war (angenehmerweise vor Laudas Unfall), hatte in meinem ersten Jungwacht-Lager ein solches Offiziers-Bajonett dabei.

Christian war ein Magnet. Alle scharten sich um ihn. Und alle zeigten mit weit aufgerissenen Augen auf die zwei Fingerkuppen auf dem Fensterbrett, die er sich soeben bei einer Schnittdemonstration damit abgehauen hatte.

Ein Mann ist ein erwachsener Junge. Darum bleiben Messer auch für grosse Jungs beliebte Spielzeuge. Schliesslich besingen Künstlerinnen wie Shirley Bassey und Dionne Warwick im Bondsong «Mr. Kiss Kiss, Bang Bang» nicht umsonst, wie ein Held das Leben meistert: «Like a knife he cuts thro‘ life“.

Der weltgewandte Herr wählt indes ein diskretes, stilvolles Taschenmesser. Denn sowohl ein mordsmässiges Rambo-Messer für Survivalexperten wie auch ein sündhaft teueres Küchenmesser aus Damaszenerstahl lassen sich nur schlecht in die Hosentasche stecken.

Ebenso unelegant sind multifunktionale Klappmesser aller Couleur. Ich meine, wer braucht ein Messer mit integriertem Korkenzieher, Zahnstocher, Dosenöffner? Also bitte. Als ob ein Bonvivant je dem Drang nachgeben müsste, sich mit so ein Ding Dosenfutter zu öffnen!

Genauso absurd wäre es, hochwertige Schreibgeräte mit derartigem Heckmeck auszurüsten. Ich stelle mir gerade vor, wie ich mit meinen Füller mit dem stilisierten Berggipfel auf dem Kappenkopf in Sterlingsilber, nach dem Besiegeln eines Vertrags mit schwungvoller Unterschrift, eine Dose Leberkäse und dazu den Kronkorken einer Bierflasche öffnete.

Der perfekt ausgestattete „Herr der guten Gesellschaft“ des 18. Jahrhunderts führte neben einer reich verzierten Schnupftabakdose und einem schmucken Spazierstock stets ein ebenso wertvolles wie hübsches Taschenmesser mit sich.

Ein solches habe ich in Sardinien gefunden. Es ist selbstredend handgefertigt, signiert und nummeriert. Schon die exzentrische Form der Klinge suggeriert eine Rasiermesserschärfe und löst flimmernde Erregung aus. Der Griff ist aus dunklem Hammelhorn gefertigt.

Das stumpfe Klingenende ist charakteristisch für sardische Messer, die vor allem für Kork- oder Minenarbeiter gefertigt wurden.

Die Verletzungsgefahr durch spitze Messer war anscheinend zu hoch. Einmal wegen schlechten Lichtverhältnissen, im anderen Fall wegen des weit bekannten Temperaments der Sarden. Spitzige Klingen waren sogar lange per Gesetz verboten.

In meinem Alltag schneidet es besonders gut ab, wenn andere Männer es neidvoll oder anerkennend erblicken. Aus der Hand geben sollte man es aber niemals. Dafür gewissenhaft ölen, schleifen oder gerne auch am Streich-Riemen abziehen.

Es gibt Wirte, die besonderen Wert auf gutes Fleisch legen, ihre Gäste aber mit lasergeschliffenen „Steakmessern“ brüskieren. Ein Filet das damit zerrupft wird, ist ein trauriger Anblick. So einen Affront habe ich auch schon durch Zücken der eigenen Klinge genussvoll pariert.

Ich finde übrigens den Ausspruch, man dürfe keine Messer verschenken, weil diese die Freundschaft zerschneiden, etwas grillenhaft. Ich kennen keinen Kerl, dessen Puls nicht ansteigt, wenn er ein schönes Messer geschenkt bekommt.

Obwohl, einmal habe ich doch tatsächlich ein Keramikmesser(!) geschenkt bekommen. Da muss man sich schon fragen, ob es nicht besser wäre, einen Schnitt unter diese Freundschaft zu machen.

Grundsätzlich gilt für Männer und Messer das Gleiche wie bei Frauen und Schuhen: Man kann gar nicht zuviel davon besitzen. Schliesslich gilt es, für jede Gelegenheit passend gewappnet zu sein.

Individualität ist der Schlüssel. Und jeder trifft natürlich seine eigene Wahl.

Wer die Klingen kreuzen möchte, darf hier gerne einen Link zu seinem liebsten Schneidewerkzeug setzen. Gerne auch Damen! Es gibt wohl kaum etwas Schärferes als Frauen, die einen virtuosen Umgang mit Messern an den Tag legen.


Lukullische Lesereise

Christian Seiler ist ein Angefressener. Geht es ums Essen, geht der Autor und Journalist den Dingen gerne auf den Grund. Wird zum Besessenen, der nicht ruht, bis er befriedigende Antworten auf Fragen findet, die ihm ein Loch in den Bauch bohren.

In seinem aktuellen Buch «Reise zum Geschmack» (Echtzeit Verlag) nimmt er uns mit auf zwölf kulinarische Ausflüge. Jede Reise beginnt mit einer simplen Frage: Wie schmeckt das wirklich? Die Salade niçoise. Das Wiener Schnitzel. Die Pizza Margherita. Die simple Antwort lautet: Schauen wir doch nach.

Da es für Seiler in kulinarischen Recherchen nie ein Ziel, sondern nur einen Weg gibt, kommt die Leserschaft in den Genuss von Texten, die – bildhaft wie in einem Skizzenbuch – Menschen, Orte und Gerichte in einprägsamen Episoden festhalten.

Wenn Lesen Reisen im Kopf ist, dann sind Seiler‘sche Reportagen ein wahrer Fresstrip: «Du konntest dieser Sauce ansehen, dass sie wie ein Schwamm alles aufgesogen hatte, was ihr in die Nähe gekommen war: Wein, Fleisch, Saft, Knochen, gute Worte, und ich bin sicher, dass man mit ihr auch ein Haus bauen könnte, wenn einem einmal der Mörtel ausgeht, so gehaltvoll war die Konsistenz.»

Manchmal den Leser jovial bis resolut an der Hand nehmend, manchmal völlig vergessen mit sich und dem Teller vor der Nase, schwingt der Ton zwischen Wiener Saturiertheit und der Selbstironie eines patscherten Monsieur Hulot in den Ferien.

Eine wunderbare, amüsante Lektüre, die mit reiner Leidenschaft zubereitet wurde. Mit einigen exemplarischen Rezepten zum Nachkochen und vielen persönlichen Reiseempfehlungen, fabelhaft illustriert von Markus Roost.

Der Echtzeit Verlag serviert damit ein weiteres delikates Buch in seiner kulinarischen Nische, in welcher sich schon Schmankerl finden wie Geschmack der Liebe, Aus Frankreichs Küchen oder Um die Wurst.


Liquidierte Esskultur

Zwei Basler Bahnhof-Restaurants sind gegessen: «Sakura» und «L‘Escargot».

Einem Liquidator stünde der Name Schwarzenegger gut. Aber Hoss finde ich auch nicht schlecht. Hiess nicht der Dicke fürs Grobe bei Bonanza Hoss? Hoss! Das klingt nach Nägel mit dem Handballen einschlagen, nach Kronkorken mit den Zähnen aufbeissen. Ein Hoss fackelt nicht lange, der gibt mächtig Sporen!

Heute also hat die Liquidation der beiden gastronomischen Traditionsbetriebe begonnen. Erstaunlich gesittet, muss man sagen. Zum Glück war es keine Gant, diese Art Versteigerung verströmt meistens die Anziehungskraft von Aasfressern.

Das Inventar ist akkurat aufgereiht und gewissenhaft preisbeschriftet. Das Personal des Liquidators, es sind mehrheitlich Frauen, ist freundlich. Keine Verkäufer vom Typus Kiesplatzgebrauchtwagenhändler.

Wozu ein Sakemischer auch immer dient, heute hätte ich einen kaufen können.

Sie sind in servile Haushaltsschürzen gekleidet und mit altmodischen Quittungsblöckchen ausgerüstet. Sie geben geduldig Auskunft (noch – der Verkauf dauert schliesslich drei Tage), da und dort sind sie zu Spässchen oder auch zu mildem Feilschen aufgelegt.

Bezahlt wird bei der freundlichen Kassiererin am Ausgang, herzlichen Dank, hier bitteschön, danke, einen schönen Tag noch, danke, bitte!

Das japanische Restaurant «Sakura» war bei der Eröffnung vor 19 Jahren das erste seiner Art in Basel. Denn es bescherte der Stadt neben exotischer Kochkunst auch eine gastronomische Attraktion: Einen Teppanyaki-Grill.

Drumherum sassen die Gäste erwartungsvoll, liessen sich brav Lätzchen umbinden und schauten mit warmglänzenden Kinderblick wahlweise dem Zappeln des fernöstlichen Kochs oder der Garnelenschwänze auf der heissen Platte zu, um sodann die köstlichsten Happen gekonnt auf edles japanisches Porzellan balanciert zu bekommen.

Noch kühner war jedoch der andere Teil des Restaurants, das Yakitori. Dort wurde nämlich „normales“ japanisches Essen aufgetragen. Von echten(!) Japanern. Die Beziehung zwischen Gast und Bedienung war nicht immer unbefangen. Zu schleierhaft schien anfangs die Auffassung, wer was von wem erwarten durfte.

Und konnten sich die Köche im Teppanyaki in zenmeisterliches Schweigen hüllen, musste das Servicepersonal im Yakitori die Zunge locker machen. Das liebte ich besonders! Wenn Sushibestellungen mit «ei-maa Zütschi, okee!» quittiert wurden, der Salat zu «Sarada» mutierte oder wenn man beim Verlassen des Lokals auf Schweizerjapanisch «Adya mit ananda, Tanga scheen!» verabschiedet wurde.

Das Essen war solide und die Qualität über jeden Zweifel erhaben. Es waren die ersten Entdeckungen von Tempura (und dem frittiergeruchfreien, hochknusprigen Tempurateig aus dem Sakura werde ich noch bittere Tränen nachweinen), heller japanischer Sojasauce, Miso, Teriyaki, Udon, Glacé von roten Bohnen oder Grüntee, japanischem Senf, Shiitake, in Sake gedämpten Fischen, Shabu-Shabu, eingelegten Pickels, feinstem, zartestem Tofu, Kirin Bier.

Als Souvenir habe ich mir Sakefläschchen mit den passenden Gläschen gekauft.

Dazu einen feinen – ich schätze, es ist eine 3000er-Körnung – schon deftig abgerockten Wasserschleifstein. Leider fehlt mir das dazupassende Sushimesser in Damaszenerstahl. Aber das ist okay, ich koche ja auch kein Sushi.

Das Restaurant «L‘Escargot» hingegen eröffnete schon 1964. Es entstammt der Handschrift des legendären Gastronomen Emil Wartmann.

Und es passte an diesen Fleck wie die Faust aufs Auge. Denn just entlang dieser letzten Gebäudezeile verläuft die Grenze zwischen dem Schweizer Bahnhof SBB und der französischen Gare SNCF. Eine Kuriosität, die ich als Kind nie zu entschlüsseln vermochte – wie kann man auf französischem Boden stehen, wenn man sich noch mitten in Basel befindet?

Für uns war es das Sonntagslokal. Sonntag hiess damals noch, dass meine Schwiegermutter in spe „frei“ hatte und nicht zu kochen brauchte. Ja, am Sonntag ging die Familie auswärts essen. Komme was wolle.

Man stieg hinab ins Souterrain, ins Schneckenhäuschen, bestellte ein halbes Dutzend Escargots aux herbes, ass Filet Café de Paris mit pommes alumettes, trank einen Pommard, zum Café Armagnac und tauchte erst wieder auf, wenn es draussen schon wieder dunkel war.

Was genau ist eigentlich mit uns geschehen? Gesellschaftlich-gastronomisch gesehen. Warum ist es heute so schwer, sonntags ein gutes Restaurant zu finden das offen hat? Und noch viel schwerer – Gäste zu finden, die das offene Restaurant dann auch aufsuchen? Schlurfen sonntags wirklich alle lieber im Trainer zwischen Sofa und Brunchtisch hin und her?

Hans Berchtold, der sich mit seiner Berchtold Gastronomie AG, die bisher die Bahnhofgastronomie inklusive «Sakura» und «L‘Escargot» betrieb, nach 23 Jahren aus dem Bahnhof Basel SBB zurückzieht, könnte viele Gründe aufzählen. Angefangen vom Taktfahrplan der SBB über den Feldzug der Take-Aways bis zum Verlust von echtem Genussbewusstsein.

Und noch so einige Wirteweisheiten dazu. Ich sollte wohl ein Buch mit ihm schreiben. Denn vielleicht wird Wirt wer nichts wird, wie der Volksmund sagt, aber dieser Mund bleibt oft staunend offen, wenn Wirte ihre witzigen Abenteuer und Legenden erzählen.

Ich kann nur feststellen: Ich wusste nicht, dass die Schliessung eines Restaurants so traurig machen kann. Und heute waren es gleich zwei auf einmal.

Wir wissen ja alle, auf was man gut kochen lernt. Eben.

Habe ich nicht mein halbes Leben auf eine Batterie «Le Creuset» Saucenpfännchen gewartet? Jetzt sind sie weg. Ein gemeiner Schnäppchenjäger hat schon zugeschlagen.

Wäre verlockend gewesen, zuhause mal für 54 Personen Schnecken zu servieren.

Merke: Wenn hinter den Kulissen solche Schilder hängen, kann das Restaurant nur gut sein.

Beste, gusseiserne Röstipfännli von Kuhn Rikon. Jede Kartoffel dürfte sich glücklich schätzen, hier drin sterben zu dürfen.

Diese Übersetzung von SOS ist so frei wie die deutschen Übersetzungen von amerikanischen Filmtiteln. Einer meiner Lieblinge geht so, amerikanisch: Black Eagle. deutsche Übersetzung: Red Eagle.

Wer träumt nicht davon: Spülbecken mit Tisch und Aufsatz für 480 Franken. Dagegen sieht doch jeder Flatscreen – flach aus.


Sinnlicher Seelenstrip

Auf seiner Website publiziert Jens Darsow kulinarische Interviews mit namhaften Köchen mit Auszeichnungen von Michelin und Gault Millau – und seit Neuestem auch eines mit dem nicht mehr ganz so anonymen Koch von Anonyme Köche.

Nicht weil Michelin jetzt auch Sterne für kulinarische Heimwerker vergibt – was eine reizvolle Idee wäre – sondern weil auf «Kulinarisches Interview» neben aktuell 56 Spitzenköchen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Südtirol unter der Rubrik „Special“ auch Persönlichkeiten zu Wort kommen, die Essen & Geniessen professionell betreiben.

Wie Katja Burghardt, Chefredakteurin von «essen & trinken» zum Beispiel oder Jan Spielhagen, Chefredakteur von «BEEF!».

Reizvoll ist auch das Interview-Konzept, allen die fast gleichen Fragen zu stellen. Die unterschiedlichen Antworten zu vergleichen ist zuweilen recht amüsant.

Wenn zum Beispiel auf die Frage «Welches ist ihr Lieblingsfilm?» die Antwort «Ben Hur» kommt, wird einem wieder schlagartig bewusst, dass Sterneköche sehr, sehr wenig Zeit für Kino oder zum DVD gucken haben!

Wer gerne Gourmet-News futtert, findet auf «Kulinarisches Intwerview» auch die entsprechende Rubrik mit RSS-Feed.

Und wer jetzt meine Antworten lesen möchte, geht hier lang zum Interview.



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